Totale Sonnenfinsternis am 22.Juli 2009

Unsere Chinareise fand zwar nicht nur wegen der Jahrhundert-Sonnenfinsternis statt, aber Zeitpunkt und Route waren natürlich darauf abgestellt, der sommerlichen Hitze im südlichen China zum Trotz. Die Zone der totalen Bedeckung verlief im wesentlich quer durch das mittlere China, fast genau entlang des Laufes des Chang Jiang (bei uns meist „Jang-tse“ genannt), mit den Riesenstädten (von West nach Ost) Chengdu, Chongqing,Wuhan, Shanghai und Hangzhou.

In diesem Streifen leben wahrscheinlich 60 bis 80 Millionen Menschen, vielleicht noch mehr. Nach 7 zum großen Teil längeren Aufenthalten in China (5 für meine Frau) war diese Reise für uns eine Art Abschied von Orten und Menschen, sie enthielt Shanghai und Wuhan. Wir hatten den 22. Juli für Wuhan geplant, in der Annahme von starkem Smog in Shanghai, was allerdings erstaunlicherweise nicht zutraf. (Aber hinterher erfuhren wir, dass es in Shanghai am Morgen des 22. regnete) An beiden Orten war es während unseres Aufenthaltes extrem feucht und heiß (um und über 350) und der Himmel stets von dünnen Wolkenschleiern bedeckt.

WUHAN 9:24 bis 9:29.30

Durch die relativ frühe Zeit der Totalbedeckung (in Wuhan von 9:24 bis 9:29:30 Uhr) kam noch kondensierte Luftfeuchtigkeit dazu, mit idealen Bedingungen war also keinesfalls zu rechnen. Andrerseits war wegen Breite von ca. 300 die Höhe der Sonne bereits ca. 490, sodass ein freier Blick auf die Sonne außerhalb des dicht bebauten Gebiets garantiert war. Wir hatten in einem Hotel am Stadtrand an einem See übernachtet, an dessen Ufer Beobachtungsstellen auch mit einem weiten Blick entlang der Erdoberfläche leicht zu finden waren. Natürlich gab es dort zahlreiche Beobachter, manche mit durchaus hochwertigen Geräten ausstattet.

Die Phase der zunehmenden Bedeckung (ab 8:15 Uhr) war über weite Strecken durch den dünnen Wolkenschleier recht gut zu beobachten (ganz frei war der Himmel fast nie). Wegen des nur geringfügig größeren Durchmessers der Mondscheibe verlief das Hereingleiten des Mondes „von oben“ vor allem in den letzten 20 Minuten, als die Sonne schon nur mehr eine stark nach oben elongierte Sichel war, fast quälend langsam. Bei einer Morgentemperatur von über 30o war die allmähliche Temperaturabnahme deutlich zu spüren, auch die immer stärker einsetzende Dämmerung war eindrucksvoll. Einige Minuten vor der Totalphase brauste eine Windböe über uns hinweg, ausgelöst durch den mitwandernden Temperaturgradienten. Dann war es so weit. Rund um uns schrien die Menschen auf: Die milde Dämmerung ging schlagartig in weitgehende Dunkelheit über und dem nun nackten Auge zeigte sich die vom Strahlenkranz der Sonnenkorona gleichmäßig um hüllte schwarze Mondscheibe. Wegen der dünnen Wolkenschleier waren die oft geräumten Details der letzten Sekunden vor der Totalität mindestens von unserem Punkt aus nicht wirklich zu beobachten, trotzdem war es ein bewegendes Schauspiel. Die ersten 2 Minuten war der Blick praktisch frei, dann verhüllte leider ein dickerer Wolkenbatzen die Erscheinung für den Rest der Totalitätsphase. Von den Erscheinungen am Himmel in der Umgebung der Sonne (etwa dem Merkur) war natürlich bei diesen Bedingungen ebenfalls nichts zu sehen. Und dann wurde es mit einem Schlag wieder fast hell, relativ gesehen.

Allmählich zerstreuten sich die Beobachter, auch wir kehrten nach einigen Blicken auf die jetzt umgestülpte Sonnensichel wieder in unser Hotel zurück, da eine Verbesserung der Beobachtungsbedingungen nicht mehr zu erwarten war. Trotz der durch die Bewölkung eingeschränkten Beobachtungsmöglichkeiten empfanden wir das „Dabei sein“ als ein intensives und eindrucksvolles Erlebnis. Natürlich hatten wir gehofft, mehr an Details zu sehen; aber die 2 Minuten guter Sicht während der Totalitätsphase entschädigten für manches Entfallene. Da es wohl überhaupt die letzte Sonnenfinsternis unseres Lebens war, mussten wir zufrieden sein, dass wir sie erleben durften.