Aufbau des Milchstraßensystems

Könnten wir das Milchstraßensystem, das Sternsystem, in dem unsere Sonne steht, und das wir daher nur von innen kennen, von außen aus großer Entfernung betrachten, so würden wir es wahrscheinlich als eine Spiralgalaxie vom Typ Sb klassifizieren, möglicherweise als einen Übergangstyp zu Sc. Die Hauptstrukturen unseres Milchstraßensystems: – Flache galaktische Scheibe mit der eingebetteten Spiralstruktur (Durchmesser 30 kpc) – Halo – Zentralgebiet (Durchmesser 2 kpc)

Das galaktische Zentrum

Im Optischen ist uns der Blick auf das Zentrum ders Milchstraßensystems durch dichte Wolken interstellaren Staubs verwehrt. Diese hohe Extinktion erfolgt jedoch nur genau in der galaktischen Ebene, weil die interstellare Materie und damit auch der Staub eine außerordentlich dünne Schicht bildet. Schon bei etwa 3 Grad galaktischer Breite verläuft der Sehstrahl in Entfernungen ab 2 kpc weitgehend außerhalb der galaktischen Staubschicht, so daß die äußeren Teile des galaktischen Zentralgebiets direkt als „Große-Sagittarius-Wolke“ beobachtbar sind.

Die Entfernung zum galaktischen Zentrum selbst ist natürlich nur auf indirektem Wege zu bestimmen, indem man nämlich die räumliche Verteilung solcher Objekte untersucht, die sehr stark zum galaktischen Zentrum hin konzentriert sind. Solche Objekte sind vor allem die Mitglieder der Halo-Population II, die zu einer so frühen Zeit entstanden, als das Milchstraßensystem noch annähernd sphärisch aufgebaut war und sich die galaktische Scheibe noch gar nicht gebildet hatte. Die bestgeeigneten Objekte sind daher KS und RR-Lyrae-Sterne.

Durch Beobachtungen von Kugelhaufen (auch in höheren galaktischen Breiten und die Bestimmung ihrer Entfernungen mit Hilfe der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung der Cepheiden) hat H.S. Shapley (1885-1972) 1918 gezeigt, daß das Zentrum des Systems der Kugelhaufen und damit auch des galaktischen Systems in etwa 8 bis 10 kpc Entfernung oder 30 000 Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Sagittarius liegt. Senkrecht zur galaktischen Ebene, der Symmetrieebene des Milchstraßensystems, fällt die Dichte der Sterne rasch ab. Im Gegensatz hierzu steht das Verhalten in der galaktischen Ebene selber. Hier sind einem langsamen Abfall mit zunehmender Entfernung vom galaktischen Zentrum Schwankungen überlagert, die als Spiralarme gedeutet werden können.

Die Spiralarme stellen jedoch nur einen kleinen Teil der Masse der Scheibe dar, sie fallen nur stark auf durch ihre vielen extrem hellen jungen Sterne und die von diesen beleuchteten Gasnebel. Die weitaus größere Masse der älteren Sterne ist gleichmäßig über die Scheibe verteilt, hat jedoch ihre ehemals hellen Sterne inzwischen durch die Sternentwicklung verloren.

Das Spiralsystem ist eingebettet in eine wesentlich größere, etwa kugelförmige „Wolke“ geringer Dichte, den sogenannten „Halo“. Ihm gehören die Kugelhaufen an, aber auch viele einzelne Sterne, z.B. die RR-Lyrae-Sterne.Die äußeren Bereiche, die nach neueren Erkenntnissen noch weit über den „klassischen Halo“ bis zu den Magellanschen Wolken hinausreichen, bezeichent man heute als „Korona“. Halo und Korona tragen wahrscheinlich den überwiegenden Teil zur Gesamtmasse des Milchstraßensystems bei.

Der Halo

Die Objekte des Halos zeigen in ihrer Verteilung keine Konzentration gegen die galaktische Ebene. Ihre räumliche Verteilung ist vielmehr etwa kugelsymetrisch mit starker Konzentration zum galaktischen Zentrum. Hier durchsetzen sie also die Scheibenkomponente, während sie nach außen hin das ganze System allseitig bis zu circa 25 kpc Abstand – wenn auch dort mit sehr geringer Dichte – umgeben.

Die Halo-Objekte nehmen auch nicht an der galaktischen Rotation teil. Sie laufen vielmehr auf ziemlich regellos im Raum verteilten Bahnen um das Zentrum, wobei sehr langgestreckte, ellipsenartige Bahnen mit hohen Exzentritäten charakteristisch sind, Geschwindigkeiten von 100 bis 300 km/s. Halo und Scheibe stehen in einer engen dynamischen Wechselwirkung zueinander. Die galaktisch Scheibe stellt physikalisch eine sog. „dünne Scheibe“ dar, die für den Fall, daß nur ihr eigenes Gravitatoinspotential wirksam wäre, auf kurzen Zeitskalen instabil wäre. Stabil ist sie nur, wenn sie in einem anderen z.B. sphärisch symetrischen Potential eingebettet ist. Da die galaktische Scheibe aber offenbar langfristig stabil ist, muß ein solches Potential existieren. Der Halo ist das einzige Strukturelement, welches dafür in Frage kommt. Das Problem ist nur, daß die beobachtete Masse des Halo (mit etwa 10 hoch 10 M aus Sternlicht) für das erforderliche Potential bei weitem nicht ausreicht. Der Halo muß mindestens die 10fache gravitierende Masse enthalten. Diese Diskrepanz wird daher durch die Forderung gelöst, daß 90 % der Halo-Materie zwar zum Gravitationspotential beiträgt, aber nicht zur Leuchtkraft. Man nennt diese Masse daher „dunkle Materie“.

Die KS häufen sich in der Tat deutlich sichtbar in der Richtung zum Sternbild Sagittarius.

Exakt in Richtung zum galaktischen Zentrum ist der Staub aber nur für Radiowellen und Infrarot-Strahlung durchlässig. Es läßt sich ein natürliches „Galaktisches Koordinatensystem“ definieren, dessen Koordinaten als galaktische Länge l und als galaktische Breite b bezeichnet werden. Sein Nullpunkt l=0;b=0 ist die Richtung zum galaktischen Zentrum und sein Äquator b=0 die Projektion der galaktischen Mittelebene an den Himmel.

Die mathematische Beziehung zwischen den äquatorialen und den galaktischen Koordinaten ist durch 3 Gleichungen ausgedrückt.

Sternpopulationen

Die Zunahme der Sterndichte bei Annäherung an den galaktischen Äquator zeigt, daß das Milchstraßensystem stark abgeplattet ist. Jedoch sind unterschiedliche Typen von Objekten verschieden stark zur Milchstraßenebene hin konzentriert und bilden so unterschiedlich stark abgeplattete Untersysteme der Galaxis, die auch durch charakteristische Unterschiede in ihren kinematischen Eigenschaften gekennzeichnet sind. Starke Konzentration zur Milchstraßenebene bedeutet ja nichts anderes, als daß die Bahnen aller Mitglieder einer Gruppe von Objekten stets in der Nähe der galaktischen Ebene verlaufen. Die Geschwindigkeitskomponenten in Richtung senkrecht zur Ebene sind daher stets sehr klein. Die Bahnen selbst sind Kreise, deren gemeinsamer Mittelpunkt das galaktische System ist.

Demgegenüber bewegen sich solche Objekte, die wenig zur galaktischen Ebene konzentriert sind, auf elliptischen Bahnen, die mehr oder weniger stark zur Ebene des Milchstraßensystems geneigt sind. Ihre Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zur Ebene sind deutlich von null verschieden, und ihre Geschwindigkeitskomponenten in der Richtung der galaktischen Rotation am Ort der Sonne sind merklich von der Kreisbahngeschwindigkeit verschieden. Solche Sterne werden als „Schnelläufer“ bezeichnet, da sie relativ zu der nahezu mit Kreisbahngeschwindigkeit rotierenden Sonne erhebliche Geschwindigkeiten besitzen.

Die galaktische Konzentration verschiedener Objekte ist mit ihrem Alter korreliert. Die ältesten Objekte unseres Milchstraßensystems sind die Kugelsternhaufen, die vor mehr als 10 Milliarden Jahren entstanden sind. Ihre Verteilung zeigt keine merkliche Konzentration zur galaktischen Ebene.Am anderen Ende der Zeitskala stehen die erst vor kurzem aus der interstellaren Materie entstandenen OB-Sterne, OB-Assoziationen und jung offene Sternhaufen. Solche Objekte kommen fast ausschließlich in der unmittelbaren Umgebung der galaktischen Ebene vor. Diese großen Unterschiede bezüglich der räumlichen Verteilung verschiedener Sterntypen hat zur Einführung des Begriffs der „Sternpopulation“ geführt.

Eine Population umfaßt alle Sterne, deren räumliche Verteilung im Sternsystem, deren Bewegungsverhältnisse, aber auch deren chemische Zusammensetzung oder Alter ähnlich ist.

W. Baade unterschied die Population I, die den wesentlichen Teil in der Scheibe unseres Milchstraßensystems umfaßt, und die Population II, der die Sterne des galaktischen Halo angehören. Diese Einteilung wurde beibehalten, aber seither erheblich verfeinert.

Die charakteristischen Merkmale der fünf Populationen der Objekte unseres Milchstraßensystems.

Halo-Population II: Kugelhaufen, RR-Lyrae-Sterne

Intermediäre Population II: Schnelläufer, Langperiodische Veränderliche

Scheiben-Population: F- bis M-Sterne

Ältere Population I: A-Sterne, F- bis K-Sterne mit „starken“ Metallinien

Extreme Population I: OB-Sterne, Offene Haufen, T-Tauri-Sterne

Unterscheidungspunkte der Sternpopulationen:

– Räumliche Verteilung

– Kinematik

– Leuchtkraft und Effektivtemperaturen

– Chemische Zusammensetzung

– Alter

Diese Einteilung spiegelt sowohl die strukturelle als auch die chemische Entwicklung der Galaxis wider: Die Populationen stellen dabei die von verschiedenen Phasen dieser Geschichte hinterlassenen Dokumente dar.

Zu Beginn war sie annähernd sphärisch symetrisch und arm an schweren Elementen. Nach und nach plattete sich die interstellare Materie in unserer Galaxis immer mehr ab. Dabei wurde sie laufend mit schwereren Elementen angereichert. Die später entstandenen Sterne sind also in immer kleineren Abständen von der galaktischen Ebene zu finden. Gleichzeitig nehmen die Komponenten ihrer Geschwindigkeit senkrecht zur galaktischen Ebene ab, und ihr Metallgehalt nimmt kontinuierlich zu. Sterne, die jetzt 5 mal 10 hoch 8 bis 10 Jahre alt sind, bauen die galaktische Scheibe auf, den Hauptbestandteil unseres Milchstraßensystems. Die galaktische Scheibe ist im Bereich des Zentrums am dichtesten und dort außerdem auch in Richtung senkrecht zur galaktischen Ebene am weitesten ausgedehnt. Diesen Bereich mit einem Durchmesser von etwa 2 kpc nennen wir das „galaktische Zentrum“ oder den „central bulge“.

Die galaktische Rotation – kinematische Entfernungen

Die Rotation des Milchstraßensystems wird durch ihre „Rotationskurve“ beschrieben. Aus dieser läßt sich folgendes ableiten:Die ganze Scheibe des Milchstraßensystems rotiert um ihre Hochachse, jeder einzelne Stern des Systems durchläuft seine eigene Bahn, die annähernd kreisförmig das Zentrum des Milchstraßensystems umschließt.

Die Galaxis rotiert weder wie die Planeten auf Keplerbahnen noch wie ein starrer Körper. Daher verschieben sich die Sterne im Laufe der Zeit zueinander und auch relativ zur Sonne (Differentielle Rotation). Dieser allgemeinen galaktischen Rotation, die von der Größenordnung 150 bis 250 km/s ist, sind die meist viel kleineren Pekuliarbewegungen der Sterne überlagert. Diese Scherung führt zu systematischen Komponenten in den Radialgeschwindigkeiten wie auch in den Eigenbewegungen relativ zu Sonne.

Aus der Rotationsgeschwindigkeit am Ort der Sonne, 250 km/s, ergibt sich als Dauer eines Umlaufs um das galaktische Zentrum 250 Millionen Jahre.

Die Objekte der Milchstraße: Überblick

Sterne:

Sternhaufen: offene Sternhaufen – kugelförmige Sternhaufen

Diffuse Galaktische Nebel: 5 Arten

Es gibt alle diese Typen auch in anderen Sternsystemen; Kugelhaufen können offenbar sogar isoliert, ohne Bindung an ein Sternsystem, vorkommen. Für alle Typen gilt, daß eine zufällige Fluktuation der Sternzahlen von diesem Ausmaß viel zu unwahrscheinlich ist; ein Sternhaufen ist also sicher aus einer gemeinsamen interstellaren Gaswolke entstanden, die beim Gravitationskollaps zu vielen einzelnen Sternen fragmentierte. Mit anderen Worten: wir können für alle Haufenmitglieder jeweils ungefähr gleiches Alter annehmen. Ein anderer entscheidender Vorteil für viele Untersuchungen ist, daß alle Haufenmitglieder praktisch gleiche Entfernung von uns haben.

Bei der Durchmusterung des Himmels fallen mehr oder weniger starke Konzentrationen von Sternen in Haufen auf. Die Sterndichten in solchen Sternhaufen sind meist so groß, daß es sich nicht um zufällige Ansammlungen von Sternen handeln kann. Die Zusammengehörigkeit solcher Sternansammlungen kann durch eine genauere Untersuchung bestätigt werden; die wichtigsten Kriterien für die Zugehörigkeit eines Objektes sind ob seine Radialgeschwindigkeit, Eigengeschwindigkeit und Entfernung (sofern bekannt) mit denen der übrigen Mitglieder übereinstimmen.