Das Koordinatensystem

Die Himmelskugel

Sonne, Mond und Sterne scheinen sich an der Innenseite einer riesigen Sphäre zu befinden, die den Beobachter in ihrem Mittelpunkt umgibt und sich in westlicher Richtung dreht. Tatsächlich ist das Himmelsgewölbe aber nur ein gedankliches Gebilde. Wir wissen zwar heute, daß diese antike Vorstellung falsch ist, doch bietet sie eine Reihe von Vereinfachungen – vor allem im Hinblick auf die Orientierung: Auf der Erde genügt die Angabe von geographischer Länge und Breite zur Lokalisierung eines Punktes, am Himmel bedienen wir uns der Himmelskoordinaten; Himmelsnord- und -südpol liegen genau über den irdischen Polen, und der Himmelsäquator fällt mit dem Erdäquator zusammen.

Die Beobachterposition auf der Erde

Welcher Teil des Himmels gerade sichtbar ist, hängt vom Standort des Beobachters auf der Erdkugel ab. Am Nordpol kann man nur die nördliche Himmelshalbkugel überblicken, am Südpol nur die südliche. An beiden Orten sieht man stets die gleichen Sterne; sie wandern parallel zum Horizont um den Himmelspol, der sich im Zenit, also genau über dem Beobachter, befindet. Der Himmelsnordpol wird durch den hellen Polarstern gut markiert, während es nahe dem Himmelssüdpol keinen auffälligen Stern gibt. In anderen Breiten dagegen sieht man Sterne sowohl der nördlichen als auch der südlichen Himmelshalbkugel. Auf 45 Grad nördlicher Breite steht der Polarstern nur noch halbhoch am Nordhimmel, während man im Süden viele Sternbilder des Südhimmels findet. Jetzt bleiben nur noch jene Sterne ständig über dem Horizont (zirkumpolar), die weniger als 45 Grad vom Himmelsnordpol entfernt sind. Alle übrigen Sterne gehen auf und unter, und ihre Sichtbarkeit wechselt mit dem Lauf der Jahreszeiten. Ein Beobachter am Äquator schießlich könnte theoretisch alle Sterne sehen (wenngleich zu einem bestimmten Zeitpunkt auch stets nur die Hälfte). Die wichtigste „Hilfslinie“ für jeden Beobachter ist der Meridian, der als Großkreis durch die beiden Himmelspole und den Zenitpunkt des Beobachters verläuft und entsprechend den Himmel in eine östliche und eine westliche Hemisphäre teilt. Das Gegenstück zum Zenit heißt Nadir. Beim Meridiandurchgang (Transit) erreicht jedes Himmelsobjekt seine größte Höhe über dem Horizont, es kulminiert. Zirkumpolare Sterne überqueren den Meridian zweimal, einmal oberhalb des Himmelpols (obere Kulmination) und einmal unterhalb (untere Kulmination).

Als Horizont bezeichnet man die Grenzlinie zwischen Himmelsgewölbe und Erdoberfläche. Als Zenit bezeichnet man die Stelle des Himmelsgewölbes, die sich senkrecht über uns befindet. Als Zirkumpolarsternbilder bezeichnet man die Sterne, die niemals untergehen. Sie sind nicht weiter vom Himmelspol entfernt, als dieser über dem Horizont steht.

Die Höhe des Himmelsnordpols (und damit etwa des Polarsterns) über dem Nordhorizont entspricht der geographischen Breite. Alle Sterne, die weniger als die geographische Breite vom Himmelsnordpol (Polarstern) entfernt sind, sind zirkumpolar und gehen nie unter.

Am Nordpol gibt es nur Zirkumpolarsternbilder. Je weiter südlich man kommt, umso weniger Zirkumpolarsternbilder gibt es. Am Äquator gibt es keine Zirkumpolarsternbilder.

Weil das Firmament die scheinbare Gestalt einer Kugel um den Beobachter im Mittelpunkt besitzt, kann man Abstände zwischen einzelnen Objekten in Grad ausdrücken, wobei 360 Grad einem Vollkreis entsprechen. Die jeweilige Position eines Gestirns relativ zum Horizont des Beobachters wird in Azimut und Höhe angegeben.

Jahreszeitliche Veränderungen

Eine Umdrehung der Erde um 360 Grad (Sterntag) ist rund vier Minuten kürzer als der mittlere Sonnentag, weil sich die Erde im Verlauf eines Tages auch ein Stück weit um die Sonne bewegt. Nach Sonnenzeit gehen die Sterne jeden Tag also rund vier Minuten früher auf (und unter) und stehen so jeden Abend zur gleichen Zeit etwas weiter westlich. Schließlich werden sie von der hellen Dämmerung „eingeholt“ und sind vorübergehend unsichtbar, ehe sie am Morgenhimmel wieder auftauchen. Wir wissen, daß sich die Sterne untereinander bewegen. Aufgrund der großen Entfernung ist diese Eigenbewegung jedoch so gering, daß sie erst nach Jahrhunderten deutlich wird. So können wir für die meisten Fälle davon ausgehen, daß Sonne, Mond und Planeten sich vor diesen relativ zueinander ortsfesten „Fixsternen“ bewegen.

Die Sonne wandert dabei im Verlauf eines Jahres entlang einer unveränderlichen Linie, der Ekliptik, die gegen den Erdäquator um knapp 23.5 Grad geneigt ist. Entsprechend verändert sich die Mittagshöhe der Sonne, es entstehen die einzelnen Jahreszeiten.

Mond und Planeten bewegen sich in einem etwa 16 Grad breiten Streifen beiderseits der Ekliptik durch die Sternbilder des Tierkreises. Während diesen Tierkreiszeichen in der Antike eine astrologische Bedeutung zugemessen wurde, wissen wir heute, daß solche Sterndeuterei reiner Aberglaube ist. Einzig die Symbole der Tierkreiszeichen werden auch heute noch von den Astronomen benutzt, vor allem das Symbol des Widders (), der die Lage des Frühlingspunktes markiert. Aufgrund der Präzession verschiebt sich jedoch dieser Frühlingspunkt im Laufe der Jahrhunderte entlang der Ekliptik.

Himmelskoordinaten

Es gibt unterschiedliche Koordinatensysteme, die sich jedoch in jedes andere System umrechnen lassen.

Äquatoriales Koordinatensystem:

Himmelsäquator als Bezugsebene. Der Himmelsäquator läuft genau über dem Erdäquator und teilt die Himmelssphäre in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Die Astronomen sprechen nicht von himmlischer Länge und himmlischer Breite, sondern nennen die Längenkoordinate „Rektaszension“ und die Breitenkoordinate „Deklination“. Die Deklination wird dabei in Graden nördlich (+) oder südlich (-) des Himmelsäquators angegeben. Der Nullpunkt für die Rektaszension ist an den Frühlingspunkt gekoppelt, jene Stelle, an der die Sonne auf ihrer scheinbaren Jahresbahn den Himmelsäquator nach Norden überschreitet. Von hier aus wird die Rektaszension gezählt, und zwar in östlicher Richtung, also gegen den Uhrzeigersinn: In dieser Richtung wandern Sonne, Mond und Planeten vor den Hintergrundsternen. Als Unterteilung werden dabei nicht Winkelgrade benutzt, sondern Stunden und Minuten und Sekunden. Das hat praktische Vorteile, weil Rektaszensionsunterschiede so auch immer gleich deutlich machen, wieviel Zeit zwischen den Meridiandurchgängen der jeweiligen Objekte verstreicht.

Solche Himmelskoordinaten erleichtern die Beobachtungsvorbereitungen sehr. Man kann die entsprechende Position oder Koordinaten eines Objektes in einer Sternkarte eintragen und bestimmen, wann die beste Beobachtungszeit ist (Drehbare Sternkarte). Noch wichtiger sind die Koordinaten für das Auffinden beweglicher Objekte, die bekanntlich in keiner Sternkarte enthalten sind. Während die geographischen Koordinaten eines Ortes auf der Erde unverrückbar sind, sind Rektaszension und Deklination keineswegs mit irgendwelchen Sternen starr verknüpft. Vielmehr sorgt die langsame Kreiselbewegung der Erdachse dafür, daß sich der Schnittpunkt von scheinbarer Sonnenbahn (Ekliptik) und Himmelsäquator langsam verschiebt – ein Effekt, der als „Präzession der Äquinoktien“ bezeichnet wird. Diese Kreiselbewegung der Erdachse, mit der die „schiefstehende Erde“ auf den Versuch der Sonne reagiert, die Erde gleichsam aufzurichten (damit ihr Äquatorwulst genau in Richtung Sonne zeigt), vollzieht sich zwar nur sehr langsam, führt aber im Verlauf von Jahrhunderten zu durchaus beobachtbaren Veränderungen, etwa bei der Stellung der Sonne zum Frühlingsanfang: Sie – und damit der Nullpunkt unserer heutigen Rektaszensionsskala – verschiebt sich etwa alle 72 Jahre um 1° nach Westen. Parallel dazu wandern die Himmelspole auf großen Kreisbahnen um die Punkte, die genau senkrecht über bzw. unter der Ekliptik stehen und als Pole der Ekliptik bezeichnet werden; so gelangen während einer solchen Präzessionsperiode von knapp 26 000 Jahren immer wieder andere Sterne in die Rolle des nördlichen bzw. südlichen Polarsterns. Um trotz dieser andauernden Drift des Koordinatennetzes eine zweifelsfreie Identifizierung himmlischer Objekte zu ermöglichen, werden die Koordinatenangaben stets auf einen bestimmten Zeitpunkt, die sogenannte Epoche (früher auch Äquinoktium genannt) bezogen; mit Hilfe entsprechender Formeln lassen sich diese Standardwerte dann auf das jeweils aktuelle Datum umrechnen. Gegenwärtig beziehen sich alle Angaben auf die Epoche J2000.0 (1. Januar 2000, 12 Uhr UT, nach der Julianischen Tageszählung 2 451 545,0).

Andere Koordinatensysteme:

Ekliptikales Koordinatensystem: Epliptik als Bezugsebene. Wird vor allem zur Beschreibung von Bewegungen innerhalb des Sonnensystems benutzt. Die ekliptikale Länge Lamda wird entlang der Ekliptik vom Frühlingspunkt aus nach Osten gezählt, die ekliptikale Breite Beta von der Ekliptik aus nach Norden positiv, nach Süden negativ.

Galaktisches Koordinatensystem: Galaktischer Äquator als Bezugsebene. Wird bei der Beschreibung galaktischer und extragalaktischer Objekte verwendet. Die galaktische Länge l wird von der Richtung zum galaktischen Zentrum nach (Nord-)Osten gezählt, während die galaktische Breite b den senkrechten Abstand zum galaktischen Äquator angibt.

Horizontal- oder Azimut-Koordinatensystem: Der Beobachter steht im Mittelpunkt. Wird zur Beschreibung des lokalen Himmelanblicks benutzt. Die Himmelsrichtung (Azimut) wird von Norden über Osten über Süden und Westen zurück nach Norden gezählt. Die Höhe h vom Horizont aus zum Zenit.

2. Version

Die Untersuchung der Verteilung und der Bewegung der Gestirne am Himmel setzt voraus, daß deren Orte eindeutig bestimmt werden können. Da das Anvisieren eines Himmelskörpers unmittelbar nur dessen Richtung ergibt und die Entfernung meist nicht bekannt oder für bestimmte Aufgaben nicht wichtig ist, wird der Ort eines Himmelskörpers mit zwei Winkeln angegeben. Diese Winkel werden bei allen in der Astronomie gebräuchlichen Koordinatensystemen auf eine Grundebene und eine in dieser festgelegte Richtung bezogen; die verschiedenen Koordinatensysteme unterscheiden sich durch die Wahl der Bezugsebene. Die jeweilige Grundebene schneidet die als sehr groß, mit der Erde im Mittelpunkt gedachte Himmelssphäre oder -kugel in einem als Grundkreis bezeichneten Großkreis. Die senkrecht zur Grundebene durch den Mittelpunkt des Grundkreises und durch den Beobachtungsort verlaufende Gerade durchstoßt die Sphäre in den beiden als Pole bezeichneten Punkten. Ein solches, durch eine Grundebene und eine Polachse definiertes, Koordinatensystem wird als sphärisches Koordinatensystem oder als Polarkoordinatensystem bezeichnet.

Diese Koordinaten können in andere Systeme umgerechnet werden. Dazu ist die Lage des Grundkreis-Pols des einen im anderen System nötig.

Allgemein gibt man die Koordinaten der Pole im Äquatorsystem an.

Neben Polarkoordinatensystemen werden für spezielle Aufgaben auch rechtwinklige Koordinatensysteme mit rechtwinklig einander zugeordneten X-, Y-, Z-Achsen benutzt. Je nach Lage des Ursprungspunkts des Systems spricht man von geozentrischen Systemen, heliozentrischen Systemen oder baryzentrischen Systemen (Ursprung im Schwerpunkt mehrerer Himmelskörper liegend).

Systeme:

Horizontsystem (Azimut A, Höhe h, Zenitdistanz z) – Festes Äquatorsystem (Stundenwinkel t, Deklination Delta) – Bewegtes Äquatorsystem (Rektaszension Alpha oder AR, Deklination Delta) – Ekliptikales System (ekliptikale Länge Lamda, Breite Beta) – Galaktisches System (galaktische Länge l, Breite b) Die Rektaszension wird üblicherweise in Stunden (h), Zeitminuten (m) und Zeitsekunden (s) angegeben. Die Deklination, Azimut und Höhe sowie die galaktischen Koordinaten Länge und Breite aber in Grad (°), Bogenminuten (´) und Bogensekunden (´´).