Galaxien

Der hierarchische Aufbau des Kosmos

Die meisten Sterne sind Mitglieder von Doppel- und Mehrfachsytemen. Häufig gehören sie auch Sternhaufen und damit größeren, übergeordneten Systemen an. In der Folge: Stern, Doppel- bzw. Mehrfachsystem, Sternhaufen bilden die Galaxien die nächste Stufe. Der hierarchische Aufbau des Kosmos setzt sich auch über die Galaxien hinaus fort: Es gibt Galaxienhaufen und vermutlich auch Strukturen einer noch höheren Ordnung. Dieser Aufbau kann nicht als Spiel irgend eines Zufalls angesehen werden, sondern er muß als Konsequenz aus allgemein gültigen Naturgesetzen verstanden werden. Die Galaxien sind bereits sehr große Systeme, die viele Milliarden Sterne umfassen. Eins von ihnen ist unser Milchstraßensystem, dem die Sonne mit ihren Planeten und damit wir selber zugehören. Es zeigt sich uns als das in dunklen Nächten matt leuchtende Band der Milchstraße. Von dem griechischen Wort für Milch, ist die Bezeichnung „Galaxie“ abgeleitet.

Historische Bemerkungen, Kataloge

Es war die Suche nach Kometen, die einen der ersten Anstöße zur Erforschung der „Nebelflecke“ am Himmel und damit der Galaxien gab. Diese Nebelflecke konnten leicht mit schwachen Kometen, deren typische Form sich noch nicht ausgebildet hatte, verwechselt werden. Um diese Verwechslungen zu vermeiden, stellte C.Messier 1784 eine Liste von 103 Objekten zusammen, die keine Kometen waren, obwohl sie ihnen ähnlich sahen. Diese Liste wird noch heute verwendet. Um die Wende zum neunzehnten Jahrhundert haben dann W. und J.Herschel und nach ihnen W.P.Posse die Nebel selber in das Zentrum ihrer großen Beobachtungsprogramme gerückt, ihre Strukturen beschrieben und die Zahl der aufgefundenen Objekte auf über 2000 vermehrt.

Wie bei den Sternen, den galaktischen Nebeln und Sternhaufen werden auch bei den Galaxien die einzelnen Objekte mit ihren Katalognummern benannt. Folgende Kataloge und deren Abkürzungen werden dazu schon seit längerer Zeit benutzt:

M:	Messier-Katalog von C.Messier (1784)
GC:	General Catalogue von J.Herschel (1864)
NGC:	New General Catalogue von J.L.E.Dreyer (1888)
IC:	Index Catalogue von J.L.E.Dreyer (1895)

Nur ein Teil der in diesen Katalogen aufgeführten Objekte sind Galaxien. Die meisten bezeichnen galaktische Nebel und Sternhaufen. Reine Galaxienkataloge, die auf photographischen Durchmusterungen beruhen, sind für den Nordhimmel der Uppsala General Catalogue of Galaxies von P.Nilson und für den Südhimmel der ESO/Uppsala Survey of the ESO (B) Atlas von A.Lauberts. Ein wichtiger Katalog, der fundamentale Daten der 6000 hellsten Galaxien enthält, ist der Third Reference Catalogue of Bright Galaxies von G.deVaucouleurs. Ein Verzeichnis der bekannten Quasare und Seyfert-Galaxien enthält A Catalogue of Quasars and Active Nuclei, der von M.-P.Vernon und P.Vernon herausgegeben wurde. Aufnahmen der verschiedenen Hubble-Typen und eine detaillierte Beschreibung findet man im von A.Sandage neu herausgegebenen The Hubble Atlas of Galaxies, während der Atlas of Peculiar Galaxies von H.Arp Aufnahmen von Galaxien zeigt, die aufgrund von morphologischen Besonderheiten nicht in das Hubble-Schema passen.

Für einige helle und auffallende Galaxien sind in der Literatur auch Eigennamen in Gebrauch:

Namen einiger Galaxien

Andromeda-Nebel M 31 = NGC 224

Centaurus A = NGC 5128

Große Magellansche Wolke

Kleine Magellansche Wolke

Perseus A = NGC 1275

Sombrerogalaxie M 104 = NGC 4594

Stephans Quintett = NGC 7317 bis 20

Triangulumgalaxie M 33 = NGC 598

Virgo A M 87 = NGC 4486

Whirlpoolgalaxie M 51 = NGC 5194

Die Spiralnebel, so genannt wegen ihrer mehr oder weniger deutlich erkennbaren Spiralstrukturen, hat schon Kant 1755 als Sternsysteme, ähnlich unserm Milchstraßensystem, angesehen. Einen Hinweis darauf, daß Kants damals sehr kühne Vermutung, es handle sich dabei um „ungeheure Ansammlungen von Sternen jenseits der Milchstraße“, richtig sein könnte, gab 1864 W.Huggins, als er zum erstenmal Spektren von Nebeln aufnahm und bemerkte, daß unterschieden werden müsse zwischen Gasnebeln, mit hellen Emissionsnebeln, und Spiralnebeln, deren Spektrum sich als ein Kontinuum mit Absorptionslinien zeigte. Huggins schloß daraus, daß die Spiralnebel Ansammlungen zahlreicher schwacher Sterne sein müßten. Schon zehn Jahre früher hatte 1845 Rosse gefunden, daß M 51 (=NGC 5194) eine Spiralstruktur zeigt.

Die Frage nach der wahren Natur der Spiralnebel blieb über lange Jahre eins der großen ungelösten Probleme der Astronomie. 1920 fand in der National Academy of Science in Washington die berühmte Shapley-Curtis-Debatte statt, bei der H.Shapley (1885-1972) und H.Curtis (1872-1942) hierüber diskutierten. Shapley, der die Größe der Milchstraße bestimmt hatte, war der Meinung, daß es sich um galaktische Objekte handle, während Curtis der (richtigen) Meinung war, daß jeder Spiralnebel ein rotierendes System von Sternen sei. Es war eine große Diskussion, aber keiner der Kontrahenten konnte wirklich überzeugende Argumente für seine Meinung vorbringen. Man war sich jedoch einig, daß eine definitive Entfernungsmessung diese Streitfrage klären würde. Erst 1926, als es E.P.Hubble mit dem 2.5m-Spiegelteleskop des Mt.Wilson-Observatoriums gelang, die äußeren Teile des Andromeda-Nebels (M 31) und einiger anderer Systeme in Einzelsterne aufzulösen, konnte sie entgültig entschieden werden. Vor allem mit dem 5m-Spiegel des Palomar-Observatoriums ist seitdem bei einer größeren Zahl von extragalaktischen Sternsystemen die Beobachtung einzelner Sterne gelungen. Auch viele andere hellere Objekte, wie wir sie in unserm Milchstraßensystem kennen, ließen sich in benachbarten Galaxien beobachten: Kugelhaufen und offene Sternhaufen, leuchtende Gasnebel, HII-Regionen, dunkle absorbierende Materie, veränderliche Sterne der verschiedensten Typen (Cepheiden, Novae, Supernovae). Durch diese und andere Beobachtungen wurde die Erforschung extragalaktischer Systeme vorangetrieben und gleichzeitig immer wieder bestätigt, daß unsere eigene Galaxis keine Sonderstellung einnimmt.

Klassifikation

Die Galaxien oder extragalaktischen Systeme (weniger exakt auch extragalaktische Nebel genannt) werden – einem Vorschlag Hubbles folgend – nach ihrem Aussehen in folgende Typen und Unterklassen eingeteilt:

Typ und Unterklasse

E Elliptische Galaxien

E0 völlig rund

E1 schwach abgeplattet

E7 stark abgeplattet

S Spiralgalaxien

Sa großer Kern

Sb mittlerer Kern

Sc Kern nur schwach erkennbar

SB Balkenspiralen

SBa großer, balkenförmiger Kern, Arme fast ringförmig geschlossen

SBb stärker betonte Arme, schwacher Kern

SBc Arme S-förmig schwach gekrümmt, statt Kern nur leichte zentrale Verdickung

S0 Linsenförmige Galaxien

Kern und äußere Form wie S bzw. SB

SB0 aber ohne Spiralstruktur

Ir Irreguläre Galaxien

unregelmäßige Systeme, oft von wolkenartiger Struktur

Es soll dabei aber betont werden, daß es sich bei der Hubble-Sequenz nicht um ein Entwicklungsschema handelt.

Elliptische Galaxien (Typ E)

Die elliptischen Galaxien haben eine sphäroidische Gestalt mit einem Maximum der Flächenhelligkeit (die in erster Näherung proportional zur Dichte ist) im Zentrum und einem steilen gleichmäßigen Abfall nach außen. In jüngster Zeit konnte insbesondere durch Forschungsarbeiten des Heidelberger Astronomen R.Bender gezeigt werden, daß bei etwa der Hälfte aller elliptischen Galaxien eine schwache stellare Scheibe überlagert ist, die wenige Prozent zum Gesamtlicht beiträgt. Elliptische Galaxien sind röter als Spiralgalaxien; es findet in ihnen keine Sternentstehung statt, und lange Zeit nahm man an, daß elliptische Galaxien überhaupt kein Gas und keinen Staub enthalten. Inzwischen ergaben Röntgenbeobachtungen, daß elliptische Galaxien starke flächenhafte Röntgenemission zeigen und von einem ausgedehnten Röntgenhalo umgeben sind. Ursache der Röntgenstrahlung ist ein dünnes, heißes und ionisiertes Gas mit einer Temperatur von etwa 10 Millionen K, dessen Gesamtmasse etwa so groß ist wie die der interstellaren Materie in Spiralgalaxien. Natürlich kann in solch einem heißen Gas keine Sternentstehung stattfinden, und es kann auch kein Staub bei diesen Temperaturen existieren.

Die Unterklasse gibt den Grad der Abplattung an. Ist a die große Achse und b die kleine, so bildet man (a-b)/a und rundet auf eine Dezimale. Dieser Wert bezeichnet dann die Unterklasse.

Beispiel:

Große Achse a=54, kleine Achse b=33 (a-b)/a=21/54=0.389,aufgerundet 0.4, ergibt E4.

Die stärksten beobachteten Abplattungen sind etwa 3:1, also E7. Ist bei irgendeiner Galaxie eine bestimmte Abplattung beobachtet worden, so ist ihre wirkliche Abplattung größer oder allenfalls gleich der beobachteten. Ihr genauer Wert ist nicht bekannt, da wir nicht den Neigungswinkel der Ebene der Galaxie gegen unsere Blickrichtung kennen. Ein flaches scheibenförmiges System würde beispielsweise rund erscheinen, wenn wir zufällig senkrecht auf die Scheibe sähen. Eine Galaxie kann also sehr wohl flacher sein als sie uns erscheint. Statistische Untersuchungen ergeben, daß wirklich kugelförmige Galaxien recht selten sind.

Ganz allgemein ist die Gestalt der elliptischen Galaxien die eines dreiachsigen Ellipsoids, wobei dreiachsig bedeutet, daß die drei Achsen alle unterschiedlich groß sind. Bei vielen elliptischen Galaxien dürften jedoch zwei Achsen etwa gleich groß sein; es gibt dann prinzipiell zwei Möglichkeiten, zwischen denen im Fernrohr nicht unterschieden werden kann: Es kann sich um ein abgeplattetes linsenförmiges Gebilde (oblat) handeln oder um ein längliches, zigarrenförmiges (prolat), wobei linsenförmige Gebilde häufiger zu sein scheinen. Wenn alle drei Achsen gleich groß sind, liegt eine kugelförmige elliptische Galaxie vor. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, eine Nebensequenz der elliptischen Systeme einzuführen, die diejenigen Systeme beschreibt, die einen besonders langsamen Abfall der Sterndichte in den äußeren Bereichen und damit besonders ausgedehnte Hüllen besitzen. Sie werden als D-Typ klassifiziert, oder, wenn sie besonders hell sind, als cD-Typ. Die Ausdehnung derartiger Hüllen kann 100 kpc übersteigen. Elliptische Galaxien kommen in einem weiten Größenbereich vor; sowohl die größten Galaxien (cD-Galaxien), als auch die kleinsten (Zwergellipsen), die wir kennen, gehören zu ihnen.

Spiralgalaxien

Spiralgalaxien besitzen eine viel komplexere Struktur als elliptische Galaxien. Sie bestehen aus einem zentralen Kern, der auch Bulge genannt wird, und einer flachen Scheibe. Der Kern ähnelt in Form und Farbe sehr stark einer kleinen elliptischen Galaxie; die Scheibe wiederum setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, wobei die eine alte Sterne enthält, während die andere aus interstellarem Gas und jungen, leuchtkräftigen Sternen besteht. Die Spiralstruktur ist vor allem in dieser letzteren Komponente sichtbar, die wegen der vielen jungen, heißen Sterne eine blaue Farbe hat, wohingegen der Kern, wie die elliptischen Galaxien, eine rote Farbe besitzt. Während bei elliptischen Galaxien die Flächenhelligkeit in ihrer Verteilung mit einem relativ einfachen Gesetz beschrieben werden kann, setzt sie sich bei den Spiralgalaxien aus den angesprochenen Komponenten zusammen.

Die Klassifikation der Spiralgalaxien erfolgt nach dem Verhältnis von Kern zu Scheibe: Bei Sa-Galaxien dominiert der Kern, während bei Sc-Galaxien die Spiralarme dominieren und nur noch ein verhältnismäßig kleiner Kern vorhanden ist. Sb-Galaxien liegen zwischen diesen beiden Extremen. Auch die morphologische Struktur der Spiralarme ändert sich mit dem Hubble-Typ. Bei Sa-Galaxien winden sie sich sehr eng um den Kern, und in vielen Fällen kann man mehr als eine ganze Windung um den Kern verfolgen. Meistens sind zwei Arme vorhanden, die symmetrisch zueinander liegen und sich in Form einer logarithmischen Spirale vom Kern nach außen winden. Bei Sb-Galaxien sind die Spiralarme kürzer und offener, und bei Sc-Galaxien sind sie am kürzsten, gut aufgelöst, oft nur mehr fragmentarisch vorhanden, und meist findet man auch mehr als zwei Spiralarme.

Neben den hellen, jungen Sternen und dem interstellaren Gas findet man in den Spiralarmen leuchtende Gasnebel und Streifen dunkler, absorbierender Staubmaterie. Die interstellare Materie und die jungen Sterne sind in einer flachen Scheibe sehr stark zur Symmetrieebene der Galaxie konzentriert; die Ausdehnung in Z-Richtung beträgt weniger als +-100 pc. Der Anteil des Gases an der Galaxie nimmt mit dem Hubble-Typ von Sa- über Sb- und Sc-Galaxien bis zu den irregulären Galaxien zu; der Anteil des neutralen Wasserstoffs variiert zwischen 2% bei Sa-Galaxien und bis zu 10% bei irregulären.

Ähnlich wie das Milchstraßensystem sind auch andere Spiralgalaxien von einem ausgedehnten, nur schwach abgeplatteten Halo umgeben. Er ist erkennbar an der Verteilung von Kugelsternhaufen und von Einzelsternen der Population II. Massenbestimmungen von Galaxien haben ergeben, daß der Halo sich nicht nur über die sichtbare Galaxie hinaus erstreckt, sondern daß er auch merklich zur Masse des Gesamtsystems beiträgt.

Ursache der Spiralstruktur

Man muß sich natürlich fragen, was die Ursache der Spiralstruktur ist, bei der es sich um ein sehr langlebiges Phänomen handeln muß, da etwa 50% aller Galaxien eine solche zeigen. Klar ist, daß es ein Mechanismus sein muß, der die Spiralstruktur laufend aufrechterhält, da sonst die Spiralarme durch die differentielle Rotation der Spiralgalaxie sehr schnell „aufgewickelt“ werden und verschwinden würden. Man nimmt inzwischen an, daß es sich hierbei um ein Wellenphänomen handelt, nämlich eine Dichtewelle, die durch die Eigengravitation der Materie in der Galaxie aufrechterhalten wird. Eine nähere Beschreibung dieser „Dichtewellentheorie“, die 1963 von Lin und Shu zum erstenmal formuliert wurde, findet man im Kapitel über das Milchstraßensystem.

Balkenspiralen (Typ SB)

Bei den gewöhnlichen Spiralgalaxien setzen die Arme dicht an einem fast runden Kern an und gehen stark gewunden von ihm ab. Demgegenüber besitzen die sogenannten Balkenspiralen in ihrem Zentrum einen nahezu geraden „Balken“, der an seinen beiden Enden dünner und schwächer und in der Mitte heller und dicker ist. In manchen Fällen wirkt der ganze Balken wie ein einziger, langgestreckter Kern; in andern Fällen hat man eher den Eindruck eines zusätzlichen Kerns im Zentrum, von dem genau gegenüberliegend zwei geradlinige Arme ausgehen.

Die Balkenspiralen werden in der Hubble-Sequenz durch das Verhältnis des zentralen Kerns zu den Windungen der Spiralarme unterschieden. Eine Sba-Galaxie hat einen großen zentralen Kern und sehr eng gewundene Spiralarme, eine SBc-Galaxie dagegen nur sehr locker gewundene Spiralarme und einen kleinen Kern. Bei Balkenspiralen setzen die Spiralarme an den Enden des Balkens nahezu rechtwinklig an, während bei normalen Galaxien die Spiralarme tangential vom Kern weg verlaufen.

Linsenförmige Galaxien (Typ S0 und SB0)

Eine geringe Anzahl von Galaxien hat die gleiche Form von Kern und Scheibe wie die vom Typ S oder SB, doch besitzen sie keine Spiralarme, keine dunklen Streifen absorbierender Materie und keine leuchtenden Gasnebel. Ihr Licht verteilt sich gleichmäßig über die Scheibe und nimmt nur von der Mitte zum Rand hin ab. Manchmal allerdings sieht man auch schwache, etwas hellere Ringe (mit dem Kern als Mittelpunkt) in größerem Abstand. Man bezeichnet diese Objekte als S0-, SB0- oder linsenförmige Galaxien. S0-Galaxien liegen mit ihren Eigenschaften zwischen elliptischen und Spiralgalaxien. Während sie von der Morphologie her eher Spiralgalaxien ähneln, ist ihr stellarer Anteil dem einer elliptischen Galaxie sehr ähnlich. Die meisten von ihnen haben keine interstellare Materie; nur einige wenige besitzen einen kleinen Anteil an gasförmiger Materie.

Über die Entstehung der S0-Galaxien herrscht noch keine Klarheit; ein Hinweis ist darin zu sehen, daß sie meistens in dichten Haufen gefunden werden. Man vermutet daher, daß es sich bei ihnen um Spiralgalaxien handelt, die ihre interstellare Materie verloren haben, entweder indem diese durch die Sternentstehung aufgebraucht wurde oder indem sie durch einen Zusammenstoß mit einer andern Galaxie aus der ursprünglichen Galaxie „herausgefegt“ wurde.

Unregelmäßige Galaxien (Typ Ir)

Die bisher besprochenen Systeme besitzen eine deutliche Symmetrieebene und das typische Aussehen einer Rotationsfigur. Diese Symmetrie fehlt bei einigen Galaxien völlig, daher nennt man sie „unregelmäßig“ oder „irregulär“ (Typ Ir). Sie besitzen auch keinen Kern, haben statt dessen aber oft viele regellos verteilte kleinere Verdichtungen. Allerdings ist die Grenze zwischen Sc- und irregulären Galaxien nicht eindeutig; es gibt einen nahezu kontinuierlichen Übergang zwischen ihnen.

Als Klasse sind die irregulären Galaxien nicht einheitlich. Holmberg unterschied den Typ Ir I, für den die eben gegebene Beschreibung zutrifft, und der am ehesten als eine Fortsetzung der Sequenz der Spiralgalaxien über Sc bzw. SBc hinaus angesehen werden kann, und der Typ Ir II, der von völlig anderer Natur ist. Anstelle der Bezeichnung Ir II wird neuerdings auch die Typenbezeichnung Amorph benutzt.

Die unregelmäßigen Galaxien vom Typ Ir I sind im Mittel nur etwa 1/3 so groß wie die Spiralsysteme, haben wolkenartige Struktur und enthalten viel Gas und Staub sowie junge Sterne. Zwei bekannte Beispiele sind die beiden Begleiter unserer Milchstraße, die Große und die Kleine Magellansche Wolke.

Die irreguläre Struktur äußert sich vor allem in den jungen blauen Objekten. Die Hauptmasse der älteren Sterne zeigt z.B. in den Magellanschen Wolken eine viel regelmäßigere, abgeplattete Struktur und eine Rotation wie bei Spiralgalaxien.

Zwerggalaxien

Als ein Typ, der nicht in der ursprünglichen Hubbleschen Klassifikation enthalten ist, müssen schließlich die Zwerggalaxien genannt werden. Sie umfassen um Größenordnungen weniger Sterne als die andern Galaxien und sind als lockere Gruppierungen von sehr lichtschwachen Sternen (wegen der Entfernung) nur schwer zu entdecken. Wegen ihrer geringen Absoluthelligkeit sind nur relativ wenige Galaxien dieses Typs bekannt; absolut gesehen sind Zwerggalaxien jedoch der häufigste Galaxientyp. Ihre Anzahl übertrifft die der normalen Galaxien bei weitem. Man bezeichnet die verschiedenen Zwerggalaxien in Anlehnung an den Hubble-Typ und vermerkt, daß es sich um eine Zwergalaxie handelt, durch ein vorgesetztes D (für engl. Dwarf, Zwerg), so z.B. D E (elliptische Zwergalaxie).

Häufigkeit der einzelnen Typen

Typ – Anzahl – %

E – 113 – 14.2

S0 – 74 – 9.3

Sa – 65 – 8.2

Sb – 142 – 17.8

Sc – 258 – 32.5

SB0 – 31 – 3.9

SBa – 27 – 3.4

SBb – 48 – 6.0

SBc – 15 – 1.9

Ir – 22 – 2.8

Die relativen Häufigkeiten der einzelnen Galaxientypen lassen sich nur schwer feststellen, vor allem bei größeren Entfernungen. Bei genau von der Kante her gesehenen Galaxien ist zwischen S und SB überhaupt nicht zu unterscheiden; bei entfernteren Galaxien ist oft die Unterscheidung zwischen E und S0 schwierig, manchmal auch die zwischen S0 und S. Die Tabelle berücksichtigt alle Galaxien, insgesamt 795, die nördlich von =-30° liegen und die heller sind als m phot= 12m.9.

In dem von Hubble 1936 vorgeschlagenen Klassifikationsschema, das als Diagramm dargestellt werden kann, in dem die Galaxientypen wie auf einer Stimmgabel angeordnet werden, müssen natürlich manche wichtigen charakteristischen Eigenschaften der Galaxien unberücksichtigt bleiben. Es hat Versuche gegeben, das Schema durch die Einführung zusätzlicher Unterscheidungsmerkmale zu erweitern. So unterscheiden Sandage und de Vaucouleurs Spiralgalaxien noch nach der Art, wie die Spiralarme an dem Kern ansetzen. Sie füllen damit die Kluft zwischen dem S- und dem SB-Zweig durch ein Kontinuum von Übergangstypen aus. Van den Bergh führt als zweite Größe die Leuchtkraft der Galaxien ein. Er unterscheidet also – wie bei der MK-Klassifikation der Sterne – Leuchtkraftklassen der Galaxien.

Die Entfernung der Galaxien

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erforschung der Natur der Galaxien ist die Bestimmung ihrer Entfernungen, denn nur wenn man diese kennt, lassen sich scheinbare Helligkeiten in Leuchtkräfte umrechnen und gemessene Winkel in lineare Ausdehnungen. Leider ist die Entfernungsmessung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die Schwierigkeiten liegen weniger in der Bestimmung der relativen Entfernungen, wie sie für den Vergleich der verschiedenen Galaxien untereinander ausreichen, als vielmehr in der Feststellung einer absoluten Entfernungsskala.

Man benutzt meist photometrische Methoden, die auf dem Vergleich von gemessenen scheinbaren Helligkeiten m von Einzelobjekten oder von ganzen Galaxien mit deren als bekannt vorausgesetzten absoluten Helligkeiten M beruhen.

Es ist für diese Methode wichtig, daß es keine nennenswerte intergalaktische Absorption gibt. Diese Voraussetzung ist hinreichend erfüllt, und so kann zur Bestimmung der Entfernung r die einfache Relation lg(r/pc)=1+0.2(m-M)/mag verwendet werden.

Man unterscheidet drei Arten von Entfernungsindikatoren: primäre, sekundäre und integrale.

Primäre Entfernungsindikatoren sind solche, deren Eichung noch innerhalb der Milchstraße erfolgt. Sie sind im Prinzip die besten, aber eins der Probleme ist, daß sich viele primäre Entfernungsindikatoren nur bei den allernächsten Galaxien anwenden lassen. So sind z.B bereits RR Lyrae-Sterne nicht mehr zur Entfernungsbestimmung von M 31 anwendbar. Dabei sollte man nicht vergessen, daß schon innerhalb der Milchstraße die Bestimmung genauer Entfernungen ein großes Problem ist.

Sekundäre Entfernungsindikatoren sind individuelle Objekte, die in extragalaktischen Systemen geeicht werden. Hierzu werden Galaxien verwendet, deren Entfernung mit Hilfe von primären Indikatoren bestimmt wurde. Da die Bestimmung der Reichweite auch unter Verwendung sekundärer Entfernungsindikatoren auf maximal etwa 50 Mpc beschränkt ist (mit Ausnahme der Supernovae, siehe unten), müssen bei weiter entfernten Galaxien Entfernungsindikatoren verwendet werden, die auf integralen Eigenschaften von Galaxien basieren. Im folgenden sollen einige der wichtigsten Entfernungsindikatoren genauer besprochen werden.

Primäre EntfernungsindikatorenDelta Cephei-Sterne (M=-1 bis -5): Ist die Periode eines solchen veränderlichen Sterns ermittelt, so erhält man aus der Periode-Leuchtkraft-Beziehung seine absolute Helligkeit. In etwa 15 Galaxien sind Delta Cephei-Sterne bekannt, im Andromeda-Nebel allein 40. – Diese Methode wäre eigentlich die genaueste, doch hat gerade die auf sie gegründete Entfernungsskale in den letzten Jahren einige Male verbessert werden müssen. Die Cepheiden sind seltene Sterne, daher finden sich keine in der Nähe der Sonne, und infolgedessen ist die Eichung der Skale schwierig.

Novae:

Bisher wurden weit über hundert Novae in extragalaktischen Systemen beobachtet, und zwar meist in dem jeweiligen Kerngebiet. Sehr groß ist die Häufigkeit im Andromeda-Nebel, etwa 30 pro Jahr. In den meisten Galaxien ist die Häufigkeit geringer. Die absolute Helligkeit der Novae streut stark und läßt sich nur dann einigermaßen genau angeben, wenn ein längerer Teil der Lichtkurve beobachtet werden konnte.

Sekundäre Entfernungsindikatoren

Supernovae: Die bisher beobachteten Supernovae wurden meist in Sc- und SBc-Spiralen gefunden. Man schätzt ihre Häufigkeit auf eine Supernova pro Sternsystem in 30 bis 50 Jahren.

Hellste O- und B-Sterne (Mv~-10): Diese absolut hellsten Sterne konnten bisher in über 100 Galaxien aufgelöst werden. Ihre absoluten Helligkeiten streuen jedoch stark.

Kugelhaufen (M~-6.8): Kugelhaufen sind anscheinend in allen Typen extragalaktischer Systeme vorhanden. Sie konnten inzwischen bei Galaxien im Virgo-Haufen und bei einigen noch weiter entfernten Galaxien beobachtet werden.

Durchmesser von HII-Regionen: Hier bestimmt man den Winkeldurchmesser der größten HII-Regionen in einer Galaxie. Als Eichwert wird dabei 245 pc angenommen.

Planetarische Nebel: Dies ist eine relativ neue Methode zur Bestimmung der Entfernung von extragalaktischen Objekten. Es zeigte sich, daß die Leuchtkraftfunktion Planetarischer Nebel (PNLF) fast nicht von der Zusammensetzung der stellaren Populationen einer Galaxie abhängt. Die Bestimmung der PNLF erlaubt die Messung der Entfernung.

Mit Hilfe des Hubble Space-Telescopes sollte es im Prinzip möglich sein, Cepheiden im etwa 20 Mpc entfernten Virgo-Galaxienhaufen zu beobachten. Bis zu dieser Entfernung ist es im Moment auch möglich, die Entfernung mit Hilfe der hellsten O- und B-Sterne, von Novae, Planetarischen Nebeln sowie von Kugelhaufen zu bestimmen. Abgesehen von den Supernovae ist die Methode der HII-Regionen die am weitesten reichende, die auf individuellen Objekten beruht und bei Spiral- und irregulären Galaxien allgemein anwendbar ist; sie sollte Entfernungsbestimmungen bis zu etwa 50 Mpc erlauben. Da Supernovae vom Typ I eine absolute Helligkeit von -17.8 mag erreichen, können mit ihnen noch sehr viel größere Entfernungen als mit HII-Regionen bestimmt werden. Man kann mit ihnen Entfernungen bis zu 1000 Mpc bestimmen, doch leider treten Supernovae nur sehr selten auf.

Die Unsicherheit der photometrischen Methoden beruht erstens auf der Unsicherheit der mittleren absoluten Helligkeiten der benutzten Objekte, zweitens auf der Streuung dieser Helligkeiten im Einzelfall, drittens auf der Absorption sowohl innerhalb des Milchstraßensystems als auch innerhalb der untersuchten Galaxie. Man rechnet mit Mittelwerten für die Absorption, obwohl die absorbierende interstellare Materie sehr unregelmäßig verteilt ist.

Entfernungsbestimmung mittels integraler Größen

Ist eine Galaxie so weit entfernt, daß sie nicht mehr in einzelne Objekte aufgelöst werden kann, so bleibt nur mehr die Möglichkeit, ihre Entfernung unter Verwendung ihrer gesamten scheinbaren Helligkeit, ihres scheinbaren Durchmessers oder auch ihrer Radialgeschwindigkeit (aus dem gemessenen Doppler-Effekt im Spektrum ihrer Gesamtstrahlung) zu bestimmen. In solchen Fällen wird die Galaxie als Ganzes (integral) betrachtet. Die entsprechenden Methoden bedürfen immer der Eichung an möglichst vielen Galaxien, deren Entfernungen durch andere, unabhängige Verfahren bestimmt worden sind. In jüngster Zeit hat ein Verfahren der Bestimmung der absoluten Helligkeit von S- und Ir-Galaxien an Bedeutung gewonnen, das darauf beruht, daß es eine enge Beziehung zwischen der integralen Helligkeit der Galaxien und der Breite der 21 cm-Linie des interstellaren Wasserstoffs in den betreffenden Galaxien gibt. Die Existenz einer derartigen Relation, die nach ihren Entdeckern die Tully-Fischer-Relation genannt wird, ist verständlich, denn die Breite dieser Linie ist ein Maß für die Rotationsenergie in diesem System und damit auch ein Maß für die Gesamtmasse. Bei einem festen Masse-Leuchtkraft-Verhältnis sind damit auch die Leuchtkräfte gegeben. Diese Beziehung muß natürlich an nahen Galaxien geeicht werden.

Bei elliptischen Galaxien läßt sich die Tully-Fischer-Relation nicht anwenden, da es bei diesen Galaxien kein neutrales Wasserstoffgas gibt. Dressler et al. fanden jedoch eine vergleichbare Relation für elliptische Galaxien, die sogenannte Dn--Relation. Dn ist der Durchmesser der Galaxie, innerhalb dessen die Flächenhelligkeit einen bestimmten Wert (mB=20.7 mag) annimmt, Sigma ist die entfernungsunabhängige Geschwindigkeitsdispersion. Mit Hilfe der Dn-Sigma-Relation können relative Entfernungen von elliptischen Galaxien mit einer Genauigkeit von etwa 20% bestimmt werden; problematisch bleibt jedoch auch hier die Nulllpunkteichung.

Ein sehr weit reichender Entfernungsindikator ist die Bestimmung der hellsten Galaxien in einem Galaxienhaufen, die bei großen Haufen i.a. eine elliptische Riesengalaxie vom Typ cD mit einer absoluten Helligkeit von mv←22 mag ist.

Entfernungsbestimmung mittels Rotverschiebung der Spektral-Linien:

Wegen der allgemeinen Expansion des Kosmos wird die Radialgeschwindigkeit einer Galaxie um so größer sein, je weiter diese entfernt ist.

Der einfache Zusammenhang zwischen der Entfernung r und der Rotverschiebung z=DeltaLambdaVersch/LambdaLab der Spektral-Linien aufgrund der kosmischen Expansion ist r = c x z / H = 6000z x Mpc, wobei c die Lichtgeschwindigkeit bedeutet und H die Hubble-Konstante (in der Formel wurde für H der Wert 50 km s-1 Mpc -1 eingesetzt; LambdaLab ist die Wellenlänge einer ruhenden Quelle).

Die Benutzung der Radialgeschwindigkeiten ist bei weit entfernten Galaxien von besonderem Vorteil, da dann der Anteil der Pekuliargeschwindigkeiten, die bei +-150 km/s (entsprechend z = +-0.0005) liegen, an Bedeutung verliert.

Bei sehr großen Abständen, die zu Werten von z größer als etwa 0.1 führen, gilt die obige Formel nicht mehr. In diesem Bereich kann die Entfernung mit genügender Genauigkeit nach der Beziehung r = c x z / H x ( 1 + z/2)berechnet werden. Hierbei wird angenommen, daß der Abbremsungsparameter gleich null ist. Ein Problem ist hier, daß der genaue Wert von H nicht bekannt ist.

Wichtige Kriterien für Entfernungsbestimmungen bei Galaxien

Methode — anwendbar bei Typ — Maximale Reichweite in Mpc oder als z

RR Lyrae-Sterne — alle Typen — 0.5

Klassische Cepheiden — S, Ir — 20

Novae — alle Typen — 20

Hellste blaue Sterne — S, Ir — 20

Planetarische Nebel — alle Typen — 20

Hellste Kugelhaufen — alle Typen — 20

Durchmesser HII-Region — Sc, Ir — 50

Tully-Fischer — Sc, Ir — 500

Dn-Sigma — E — 200

Hellste Galaxie im Haufen — E — z = 1

Rotverschiebung — alle Typen — z = 1

Methode — + QSO — z > 4

Verteilung der Galaxien im Raum

Ebenso ungleichförmig wie die Sterne in unserm Milchstraßensystem sind die Galaxien im Raum verteilt. Sie bilden Doppel- und Mehrfachsysteme – die bis zu 10 Galaxien enthalten können -, Gruppen von Galaxien – denen zwischen 10 und 100 Galaxien zugehören – und schließlich Galaxienhaufen, die mehr als 100 Objekte umfassen. Einzeln stehende Galaxien sind nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme.

Die wichtigsten Verzeichnisse von Galaxienhaufen sind der Katalog von G.Abell, der auf einer Durchmusterung des photographischen Palomar-Himmelatlasses beruht und 2712 „reiche“ Galaxienhaufen nördlich von -20° enthält, und der Catalogue of Galaxies and Clusters of Galaxies von Zwicky et al., der in sechs Bänden in den Jahren 1961-1968 erschienen ist.

Die Lokale Gruppe

Auch das Milchstraßensystem ist keine Einzelgalaxie, sie hat zwei ganz nahe Begleiter, die Große und die Kleine Magellansche Wolke, zwei Galaxien vom Typ Ir in etwa 50 kpc Entfernung (engl. Large bzw. Small Magellanic Cloud, LMC bzw. SMC). In etwa 100 bis 250 kpc Abstand gibt es dann eine ganze Reihe von Zwerggalaxien vom elliptischen Typ. Dieser Komplex bildet zusammen mit dem Andromeda-Nebel (M 31) und seinen beiden Begleitern (M 32 und NGC 205) sowie der Sc-Galaxie M 33 (Triangulumgalaxie), die ihrerseits ebenfalls Begleiter hat, die sogenannte Lokale Gruppe. Sie umfaßt mehr als zwanzig Systeme, wobei der hohe Anteil von Zwerggalaxien auffällt. Diese sind sehr schwer zu erkennen, so daß wir die Gesamtheit der Systeme in der Lokalen Gruppe vermutlich noch nicht überblicken.

Die Lokale Gruppe von Galaxien

Objekt — Typ — Entfernung in kpc — Durchmesser in kpc

Galaxis — Sb/Sc —(10) — >30

LMC — Ir I – 50 – 9

SMC — Ir I — 60 — 8

Ursa Minor — dE4 — 80 — 0.9

Sculptor — dE3 — 110 — 2.8

Draco — dE2 — 60 — 0.9

Fornax — dE3 — 230 — 6.1

Leo II — dE0 — 230 — 1.2

Leo I — dE4 — 230 — 2.8

NGC 6822 — Ir I — 500 — 3.1

IC 1613 — Ir I — 660 — 4.6

M 31 = NGC 224 — Sb — 690 — 40

M 32 = NGC 221 — E2 — 690 — 2.4

NGC 205 — E6p — 690 — 5.0

NGC 185 — E3p — 690 — 2.4

NGC 147 — E5p — 690 — 3.1

M 33 = NGC 598 — Sc — 720 — 19

And I — dE0 — 670 — 0.6

And II — dE0 — 670 — 0.6

And III — dE0 — 670 — 0.6

Carina — dE3 — 160 — 1.2

Galaxienhaufen

Ein grundlegendes Problem bei der Klassifizierung von Galaxienhaufen und besonders bei Gruppen von Galaxien ist, den Haufen oder die Gruppe von lokalen Dichteschwankungen am Himmel zu unterscheiden und abzugrenzen. Des weiteren ist es nötig, Unterscheidungsmerkmale zwischen Galaxiengruppen und Galaxienhaufen zu finden, zwischen denen es offenbar fließende Übergänge gibt. Es gibt verschiedene Klassifikationskriterien, die am häufigsten verwendeten stammen von G.Abell, einem der Pioniere bei der Untersuchung von Galaxienhaufen. Ein wichtiges Kriterium ist die Reichhaltigkeit (engl. richness), die ein Maß für die Zahl der Galaxien im Haufen ist. Da insbesondere bei weiter entfernten Galaxienhaufen nur noch die hellsten Galaxien tatsächlich sichtbar sind, und die Haufengrenzen nicht eindeutig festlegbar sind, verwendete Abell hierfür die Zahl der Galaxien im Helligkeitsintervall Deltam = 2 mag, gerechnet von der dritthellsten Galaxie im Haufen, innerhalb eines festen Abstands R = (1.7/z) Bogenminuten vom Haufenzentrum, was, mit H = 50 km s-1 Mpc-1, 3 Mpc entspricht. Je größer die Reichhaltigkeit, desto mehr Galaxien sollte der Haufen insgesamt enthalten.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Unterscheidung in reguläre und irreguläre Galaxienhaufen. Die folgende Tabelle gibt eine Gegenüberstellung der wichtigsten Eigenschaften:

Wichtige Eigenschaften von Galaxienhaufen

Eigenschaften — Irreguläre Galaxienhaufen — Reguläre Galaxienhaufen

Symmetrieeigenschaften — keine ausgeprägte Symmetrie — sphärische Symmetrie

Konzentration zum Zentrum — keine — stark

Zahl der Mitglieder(im Intervall von 7 mag,von der hellsten Galaxie an gezählt)

— 10 … 1000 — einige 1000

Typ der hellsten Galaxie — keine Beschränkung;bevorzugt Spiralgalaxien — fast alle hellen Galaxien vom Typ E oder S0, keine Spiraltypen

Zentrale Galaxie — meist cD

Gesamtmasse aus dem Virialsatz, in MX — 10 hoch 12 … 10 hoch 14 — ~ 10 hoch 15

Ausdehnung/Mpc — 1 … 10 — 3 … 10

Ein Beispiel für einen irregulären Haufen ist der Virgo-Haufen, der mit einer Entfernung von 20 Mpc der nächste Galaxienhaufen ist. Er hat einen Durchmesser von etwa 3 Mpc und enthält einige hundert helle und mehrere tausend Zwerggalaxien. Der nächste reguläre Galaxienhaufen ist der Coma-Haufen (= A 1656), der sich in einer Entfernung von 130 Mpc befindet. Er enthält einige tausend helle Galaxien und hat einen Durchmesser von 8 Mpc.

Die Tatsache, daß man in den regulären Haufen, in denen die Galaxiendichte beträchtlich höher ist als in den irregulären Haufen, im Zentrum zumeist eine elliptische cD-Riesengalaxie findet, hat zu der Vermutung Anlaß gegeben, daß diese Objekte durch gravitative Wechselwirkung aus ursprünglich etwas kleineren Galaxien hervorgehen, indem eine Galaxie die andere sozusagen verschluckt. Man redet deshalb auch vom Galaxien-Kannibalismus. Die Wahrscheinlichkeit für eine nahe Begegnung zweier Galaxien ist in einem regulären Haufen viel größer als in einem irregulären.

Das Problem der fehlenden Masse

Die Massen von Galaxienhaufen können aufgrund des Virialsatzes berechnet werden. Der Virialsatz besagt, daß die mittlere potentielle Energie, die durch das Gravitationsfeld hervorgerufen wird, gleich dem doppelten Betrag der mittleren kinetischen Energie (Bewegungsenergie) der einzelnen Systemmitglieder ist, die im Fall eines Galaxienhaufens die einzelnen Galaxien sind. Vorraussetzung ist, daß sich der Galaxienhaufen in einem gebundenen Zustand befindet (die Gesamtenergie des Haufens ist dann <0), was zumindest bei den regulären Haufen der Fall sein sollte. Wäre ein Galaxienhaufen nicht in einem gebundenen Zustand, so würde er sich in einer Milliarde Jahren wegen der Eigenbewegung der Galaxien auflösen. Die kinetische Energie der einzelnen Haufenmitglieder läßt sich bestimmen, indem man die Dispersion der Radialgeschwindigkeit mißt. Hieraus läßt sich dann mit dem Virialsatz die Gesamtmasse des Galaxienhaufens berechnen, die für einen typischen reichen Haufen etwa 10 hoch 15 MX beträgt. Addiert man dagegen die Massen der einzelnen Galaxien (die man aus der Masse-Leuchtkraft-Beziehung für die jeweiligen Galaxientypen ableiten kann), erhält man maximal 10 hoch 14 MX, also nur ein Zehntel dieser Masse. Dies ist das berühmte Problem der „fehlenden Masse“ in Galaxienhaufen, wobei dieser Ausdruck nicht sehr glücklich gewählt ist, da die Masse nicht wirklich fehlt; sie muß vorhanden sein (andernfalls wäre der Haufen nicht gebunden), und zwar in Form von sogenannter dunkler Materie, die wir nicht unmittelbar sehen können. Eine mögliche Erklärung könnte sein, daß ein Großteil dieser Materie in Form von dunklen Halos vorhanden ist, deren Objekte zu leuchtschwach sind, um von uns gesehen zu werden (s. unten, Massen von Galaxien).

Beobachtungen mit Röntgensatelliten, die seit Beginn der siebziger Jahre durchgeführt werden, haben gezeigt, daß Galaxienhaufen starke, räumlich ausgedehnte Röntgenquellen sind. Die Röntgenleuchtkräfte von 10 hoch 43 bis 10 hoch 45 erg s-1 sind sehr hoch; sie werden nur von denen der Quasare übertroffen. Die ausgedehnte Röntgenemission ist zeitlich konstant und diffus, d.h. sie stammt von einer räumlich ausgedehnten Quelle und nicht von einer Überlagerung vieler Einzelquellen. Die Röntgenemission ist deutlich mit dem Haufentyp korreliert; reguläre Haufen haben eine höhere Röntgenleuchtkraft und eine regelmäßigere Verteilung der Röntgenstrahlung als irreguläre Haufen. Wenn eine zentrale cD-Galaxie vorhanden ist, ist die Röntgenemission stärker auf das Zentrum konzentriert als bei Haufen ohne dominierende Galaxie. Die Ursache der Röntgenemission ist thermische Bremsstrahlung von einem heißen, dünnen Gas, das sich im Haufen zwischen den Galaxien befindet. Obwohl die Dichte des Gases, dessen Temperatur zwischen 10 und 100 Millionen K liegt, nur etwa 10 hoch -3 bis 10 hoch -4 Teilchen cm hoch -3 beträgt, ist seine Gesamtmasse wegen der ungeheuren Größe eines Galaxienhaufens so groß wie oder etwas größer als die Gesamtmasse der Galaxien im Haufen. Allerdings ist auch dies viel zu wenig, um damit die fehlende Masse zu erklären. Röntgenbeobachtungen, die mit dem Röntgensatelliten ROSAT durchgeführt wurden, ergaben, daß das Gas im Coma-Haufen etwa ein Drittel der fehlenden Masse ausmacht.

Aus Emissionslinien in den Röntgenspektren dieses Haufen-Gases konnten Elementhäufigkeiten von Eisen und andern Metallen berechnet werden. Das überraschende Ergebnis war, daß diese Häufigkeiten erstaunlich groß waren, nämlich im Mittel halb so groß wie die solaren Häufigkeiten, wobei nur eine geringe Streuung von Haufen zu Haufen gefunden wurde. Da Eisen nur bei nuklearen Reaktionen im Innern von Sternen entstehen kann, kann das Gas in Galaxienhaufen nicht primordial sein, sondern es muß schon vorher prozessiert worden sein, d.h. es muß aus den Galaxien im Haufen stammen. Man nimmt an, daß ein stetiger Austausch von Gas stattfindet: Haufen-Gas fließt in die Galaxien, dafür wird von diesen laufend neues, prozessiertes Gas an das Haufen-Gas abgegeben. Bevorzugt sollte dies im Zentrum der Galaxienhaufen stattfinden, in den sogenannten Cooling-Flows.

Superhaufen und großräumige Strukturen

Es gibt Anzeichen dafür, daß es noch größere Strukturen als die der Galaxienhaufen im Kosmos gibt, die sogenannten Superhaufen. Superhaufen enthalten typischerweise 2 bis 6 Galaxienhaufen und dazu noch etliche Galaxiengruppen. Sie sind stark abgeplattete Systeme mit einem Durchmesser von etwa 100 Mpc, die keine Axialsymmetrie und auch keine zentrale Verdichtung zeigen, wie sie in normalen Galaxienhaufen gefunden werden. Häufig findet man filamentartige Anordnungen. Die Masse eines Superhaufens beträgt etwa 10 hoch 16 MX. Wegen ihrer Größe können Superhaufen noch keine relaxierenden Systeme sein. Es erhebt sich daher die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, von solchen Ordnungsstrukturen zu sprechen. Betrachtet man in der Abbildung die Verteilung der Galaxien, so fallen einem sofort die netzartigen Strukturen auf. Zwischen dünnen, schalenförmigen Gebieten mit hoher Galaxiendichte findet man große Gebiete mit Durchmessern von etwa 50 Mpc, in denen die Galaxiendichte entweder sehr gering ist oder gar keine Galaxien vorhanden sind. Solche Gebiete werden auch mit dem englischen Ausdruck Voids (leere Gebiete) bezeichnet. In der Entfernung des Coma-Haufens (200 Mpc) findet man eine dünne Schicht mit einer sehr hohen Galaxiendichte, die dementsprechend als Große Mauer (engl. Great Wall) bezeichnet wurde. Zur Zeit gibt es noch keine befriedigende Erklärung, wie solche Strukturen entstehen.

Wechselwirkung von Galaxien

Viele Galaxien, besonders solche, die sich in den dichten Zentralgebieten eines reichen, regulären Galaxienhaufens befinden, erfahren im Verlauf ihrer Entwicklung eine nahe Begegnung mit einer andern Galaxie. Durch ihre gegenseitige Gezeitenwirkung, die durch die Gravitationskräfte hervorgerufen wird, werden vor allem die interstellare Materie in den Galaxien und, wenn auch in weit geringerem Ausmaß, die Sterne beeinflußt. Als Folge solcher Wechselwirkungen, von denen inzwischen viele direkt beobachtet wurden, können sich gemeinsame Hüllen um Galaxien, verbindende Brücken, lange herausgezogene Schweife sowie Doppel- oder Mehrfachkerne ergeben. Das nächste Beispiel einer Wechselwirkung können wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft beobachten, nämlich den Magellanschen Strom, bei dem es sich um Wolken aus neutralem Wasserstoffgas handelt, die der Großen Magellanschen Wolke auf ihrer Bahn um die Milchstraße folgen und vermutlich durch Gezeitenkräfte aus ihr herausgelöst wurden. In vielen Fällen verlieren die Galaxien das interstellare Medium, wodurch auch sehr schnell die Spiralstruktur verlorengeht, da diese ja vor allem durch die jungen Objekte sichtbar wird, die aus dem interstellarem Medium entstehen. Der Extremfall einer Wechselwirkung ist, wenn sich zwei Galaxien gegenseitig durchdringen; übrig bleiben z.B. Staubstreifen in elliptischen Galaxien oder Galaxien mit Doppel- oder Mehrfachkernen. In neuester Zeit wurde die Vermutung geäußert, daß neben cD-Galaxien zumindest ein Teil der „normalen“ elliptischen Galaxien durch Verschmelzungsprozesse entstanden sein könnte. Sicher ist, daß Wechselwirkungen zwischen Galaxien keine seltenen Ereignisse sind, sondern besonders in dichten Haufen oft auftreten.

Die Massen von Galaxien, Masse-Leuchtkraft-Verhältnis, Sternpopulationen

Die Massen

Die Massen von Galaxien werden in gleicher Weise wie die unseres Milchstraßensystems bestimmt. Bei flachen rotierenden Systemen, also bei den S- und den SB-Galaxien, verwendet man die Bedingung des Kräftegleichgewichts bei der Rotation,

Zentrifugalkraft = Massenanziehung.

Die Anwendung dieser Gleichung ist im Prinzip sehr einfach. Man bestimmt beispielsweise aus dem Doppler-Effekt etwa der 21 cm-Linie die Rotationsgeschwindigkeit einer Spiralgalaxie in Abhängigkeit vom Abstand zum Zentrum und hat damit – wenn man die lineare Ausdehnung einer Galaxie kennt – die Massen, deren Anziehungskraft der Zentrifugalkraft gerade das Gleichgewicht hält. Da nur die Winkelausdehnung der Messung direkt zugänglich ist, muß noch zusätzlich die Entfernung bestimmt werden, um die Winkelausdehnungen in Längen umzurechnen. Darin liegt eine der Schwierigkeiten.

Trägt man die Rotationsgeschwindigkeiten, wie sie tatsächlich in Abhängigkeit vom Abstand zum Zentrum der Galaxie gemessen wurden, in einem Diagramm auf (s. Abb.), so wird eine weitere Schwierigkeit der Massenbestimmung deutlich. Die Kurven lassen erkennen, daß die Rotationsgeschwindigkeit vom Zentrum her zunächst steil ansteigt, dann aber, abgesehen von einigen Schwankungen, nahezu konstant bleibt. Dieses Verhalten ist insofern überraschend, als nach der gerade formulierten Gleichgewichtsbedingung zu erwarten wäre, daß die Rotationsgeschwindigkeiten wie etwa r hoch -1/2 abfallen (r Abstand vom Zentrum der Galaxie), wenn die Bahnen den wesentlichen Teil der Masse der Galaxie umschließen. Aus dem Verhalten der gemessenen Rotationsgeschwindigkeiten, die konstant bleiben, muß daher gefolgert werden, daß auch in diesen äußeren Bereichen der Galaxien immer noch große Massenanteile außerhalb der jeweiligen Umlaufbahnen liegen. Damit können die aus den Rotationsgeschwindigkeiten abgeleiteten Massen eigentlich nur als untere Grenzwerte für die tatsächlichen Massen angesehen werden.

Elliptische Galaxien rotieren mit vrot ~ 50 bis 100 km s-1 viel langsamer als Spiralgalaxien. Bei ihnen überwiegt die statistische Bewegung der Sterne, die bei großen Systemen mehrere 100 km s-1 beträgt. Hier verwendet man für die Abschätzung der Gesamtmasse den schon bei den Galaxienhaufen erwähnten Virialsatz. Wie bei Galaxien in einem Galaxienhaufen kann man aus der Breite der Spektral-Linien, die sich durch die Überlagerung vieler verschiedener Doppler-Verschiebungen ergibt, auf die Größe dieser Geschwindigkeitsstreuung schließen und damit auf die Bewegungsenergie, die für die Anwendung des Virialsatzes benötigt wird. Natürlich muß auch für die Massebestimmung auf diesem Weg die lineare Ausdehnung der Galaxie und dafür ihre Entfernung bekannt sein. Auch bei elliptischen Galaxien zeigt sich, daß ein großer, ausgedehnter Halo mit dunkler Materie vorhanden sein muß, um die beobachteten Geschwindigkeitsstreuungen in den äußeren Bereichen der Galaxien zu erklären. Wie oben schon erwähnt, sind diese dunklen Halos der elliptischen und Spiralgalaxien die wahrscheinlichste Erklärung für die fehlende Masse in Galaxienhaufen. Allerdings ist es noch absolut unklar, woraus diese dunkle Materie besteht, sicher ist nur, daß sie total anders zusammengesetzt sein muß als die Materie, die man in den sichtbaren Bereichen findet. Erklärungsversuche, die aber zur Zeit noch reine Spekulation sind, reichen von kühlen Zwergsternen, planetenartigen Körpern, über niederenergetische Neutrinos bis hin zu Schwarzen Löchern und exotischen Teilchen.

Nach dem gleichen Prinzip kann man schließlich die Bewegung ganzer Galaxien in einem Galaxienhaufen studieren und den Virialsatz auf den Haufen anwenden. Damit wird zunächst die Masse des Haufens bestimmt, aber dann kann diese Gesamtmasse relativ leicht auf die beteiligten Galaxien aufgeteilt werden. Diese Methode ergibt, im Vergleich zu den andern, besonders große Massen. Dies kann daran liegen, daß

– bei der Massebestimmung aus der Rotationskurve tatsächlich noch viel Masse außerhalb der Meßpunkte gelegen hat,

– oder die Galaxienhaufen nicht nur die Sternsysteme, sondern auch viel intergalaktische Masse enthalten,

– oder die Galaxienhaufen nicht im Gleichgewicht sind, sondern sich ausdehnen; dann wäre der Virialsatz in der einfachen Form nicht anwendbar.

Hier sind noch viele Fragen offen.

Es zeigt sich, daß die Massen der Galaxien über mehrere Zehnerpotenzen streuen. Dies gilt insbesondere für die elliptischen Galaxien, deren hellste im Bereich zwischen 10 hoch 11 und 10 hoch 12 Sonnenmassen liegen. Andererseits gibt es aber auch Zwerg-E-Galaxien mit weniger als 10 hoch 9 Sonnenmassen. Bei den Spiralgalaxien ist ein loser Zusammenhang zwischen Typ und Masse erkennbar. Er ist von der Art, daß – bei einer breiten Streuung der Einzelwerte – die Massen der Galaxien vom Typ Sa, Sb (etwa 10 hoch 11 Sonnenmassen) über Sc (etwa 10 hoch 10 Sonnenmassen) zu den irregulären Typen (10 hoch 9 … 10 hoch 10 Sonnenmassen) abnehmen. Balkenspiralensysteme verhalten sich entsprechend.

Masse-Leuchtkraft-Verhältnis, Sternpopulationen

Einen interessanten Aufschluß über die Natur der in Galaxien vorkommenden Sterne erhält man aus dem Masse-Leuchtkraft-Verhältnis M/L, also aus dem Verhältnis der gesamten Masse M einer Galaxie zu ihrer gesamten Leuchtkraft L, das üblicherweise in Sonneneinheiten angegeben wird. In unserm Milchstraßensystem ist es in der Sonnenumgebung etwa 2.8. Wie aus der Tabelle hervorgeht, nimmt dieses Verhältnis vom Wert 80 für E-Galaxien auf etwa 2 für irreguläre Galaxien ab. Andere Autoren finden in neueren Untersuchungen eine Abnahme von etwa 20 … 30 für die Typen E0, S0 auf 1 für den Typ Ir I. Die Diskrepanz zwischen diesen Werten und denen in den Tabellen geht fast ausschließlich auf das Konto der Massebestimmungen.

Werte für Farbe, Spektrum und Masse-Leuchtkraft-Verhältnis der Hubble-Galaxien-Typen

Typ — Farbindex B-V — Spektrum der Kernregion — Masse/Leuchtkraft in Einheiten MX/LX

E, S0 — 0.9 — G4 — 10 … 80

Sa — 0.9 — G2 — 3.6 … 7

Sb — 0.8 — G0 — 1.2 … 8.4

Sc — 0.6 — F6 — 0.4 … 20

Ir — 0.5 — . — 2.0 … 11

Die hohen Werte von M/L im Kern besagen also, daß er – bezogen auf seine Masse – nicht besonders hell ist.

Wie in der obigen Tabelle dargestellt, steht das Masse-Leuchtkraft-Verhältnis in direkter Beziehung zu den Farbindizes, etwa B-V oder zur Spektralklasse. Es sei betont, daß es sich hier nicht um die Spektralklasse eines einzelnen Sterns handelt, sondern um das Spektrum einer ganzen Galaxie. Zu dem in diesem „integrierten Spektrum“ analysierten Licht haben also zahllose Sterne der verschiedensten Spektralklassen beigetragen. In der Regel wird hierbei, wegen der größeren Flächenhelligkeit, das Kerngebiet besonders bevorzugt. Entsprechendes gilt natürlich auch für den Farbindex, der bekanntlich ein Maß für die Energieverteilung im Spektrum darstellt. Hier ist es durch die photoelektrischen Meßverfahren einfacher, das gesamte Licht der Galaxie zu erfassen.

Die integrierte Spektralklasse wird, wie man sich leicht vorstellen kann, um so früher sein, der Farbindex um so kleiner, je mehr in der Strahlung der Galaxie der Anteil der Strahlung von Sternen früher Spektralklassen dominiert. Da diese Sterne ein besonders kleines Masse-Leuchtkraft-Verhältnis haben, wird bei einem hohen Anteil ihrer Strahlung auch das Masse-Leuchtkraft-Verhältnis der Galaxie klein werden. Man kann, in Umkehrung dieser Überlegungen, aus den gemessenen M/L-Werten, aus den Farbindizes und den Linienstärken in den integrierten Spektren Rückschlüsse auf die Sternmischung ziehen, d.h. letztlich die Populationen bestimmen. Dabei sind oft erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden, und man kommt nicht immer zu eindeutigen Resultaten.

Es zeigt sich, daß die erhaltenen Lösungen nicht in das eindimensionale Klassifikationsschema Population I – Population II passen. Dieses Schema ist offensichtlich zu eng, man muß die Sternpopulationen nach mehreren Parametern, zumindest nach den beiden folgenden klassifizieren: einmal nach der Häufigkeit der schweren Elemente (der Metalle), zum andern nach dem Alter. Die Einteilung nach der Metallhäufigkeit entspricht noch am ehesten dem alten Schema Population I – Population II. Die Einteilung nach dem Alter ist nur für die Population I (hohe Metallhäufigkeit) von Bedeutung. Alle Sterne der Population II (niedrige Metallhäufigkeit) sind alt, und zwar nahezu gleich alt. Sie sind die Sterne der ersten Generation, in deren Material die schweren Elemente noch nicht angereichert sind.

Der Anteil dieser Population II-Sterne am Aufbau der Galaxien (aller Typen) scheint relativ gering zu sein. Aus der Stärke der Linien in den integrierten Spektren muß man schließen, daß die Galaxien (auch die E-Galaxien) vorwiegend aus Sternen der alten Population I (hohe Metallhäufigkeit) bestehen. Dieser alten Population I ist in den Scheiben und insbesondere in den Armen der Spiralgalaxien ein Anteil junger Population I-Sterne beigemischt. Sie sind nur in den Bereichen zu finden, in denen auch interstellares Gas vorkommt. Während sich also die E-Galaxien und die Kerne der Spiralgalaxien aus Sternen der alten Population I zusammensetzen, bestehen die Scheiben und die Spiralarme der S- und der SB-Galaxien und auch die irregulären Galaxien vom Typ I vorwiegend aus der jüngeren Population I. Dieses Bild ist mit Vorstellungen über die Entwicklung von Galaxien verträglich. Es ist insbesondere verständlich, daß die Sterne der Population II, die sich als erste zu einer Zeit bildeten, als die Galaxie sich noch in der Kontraktionsphase befand, und noch nicht so stark abgeplattet war, ein nicht so flaches System bilden. Es ist allerdings noch unklar, ob und gegebenenfalls in welcher Form in diese Überlegungen der große Masseanteil im Halo der Galaxien einerseits und die Aktivitäten in den Kernen von Galaxien anderseits einbezogen werden müssen.

Infrarotgalaxien

Eins der spektakulärsten Ergebnisse des Infrarotsatelliten IRAS war die Entdeckung einer Klasse von sehr leuchtkräftigen Galaxien, die den Großteil ihrer Energie im fernen Infrarot (IR) abstrahlen. Während bei normalen Spiralgalaxien das Verhältnis der Leuchtkraft L ir im fernen IR bei 60 mym zu der im blauen Spektralbereich L b deutlich kleiner als eins ist (L ir / L b < 1), strahlen Infrarotgalaxien im fernen IR bei 60 mym bis zu hundertmal so viel Energie ab wie im blauen Spektralbereich. Ihre Gesamtleuchtkräfte können 10 hoch 12 LX überschreiten, sie gehören damit nach den Quasaren zu den hellsten Objekten im Universum. In vielen Fällen wurden solche Galaxien im optischen Spektralbereich erst nach der Entdeckung durch IRAS gefunden. Die Erklärung für diese Infrarotgalaxien ist, daß wir hier einen erst vor kurzem erfolgten Ausbruch von Sternentstehung beobachten. Solche Galaxien werden deshalb auch als Starburst-Galaxien bezeichnet. Als Folge eines solchen Ausbruchs von Sternentstehungen, bei dem im Extremfall die Sternentstehungsrate bis zu 100 MX pro Jahr betragen kann, entstehen sehr viele OB-Sterne, die der direkten Beobachtung aber durch den interstellaren Staub, der sich in der interstellaren Materie befindet, entzogen sind. Durch die intensive Strahlung dieser OB-Sterne wird der Staub, der in Starburst-Galaxien sehr reichlich vorhanden sein muß, auf Temperaturen von etwa 100 K erwärmt; er strahlt dann die absorbierte Energie im fernen IR wieder ab. Das bekannteste Beispiel einer Starburst-Galaxie ist M 82, die auf optischen Aufnahmen eine stark amorphe Struktur zeigt. Mit einer Leuchtkraft von „nur“ 10 hoch 3 LX und L ir / L b ~ 4 gehört M 82 allerdings nicht zu den extremen Fällen einer Starburst-Galaxie. Die lange Jahre aufrechterhaltene Vermutung, daß es sich bei M 82 um einen Explosionsvorgang im Kern handelt, daß M 82 also eine aktive Galaxie sei, stellte sich mittlerweile als falsch heraus. M 82 strahlt die meiste Energie bei etwa 100 mym ab, was einer Staubtemperatur von 45 K entspricht. Das Aussehen im visuellen Bereich wird völlig durch die Staubabsorption beherrscht.

Man nimmt heute an, daß die Ursache für das ausbruchsartige Auftreten von Sternentstehung die Gezeitenwirkung durch eine nahe Galaxie ist; ein Starburst wäre also eine Folge der oben besprochenen Wechselwirkung von Galaxien. Im Fall von M 82 sollte die Nachbargalaxie M 81 für die hohe Sternentstehungsrate verwortlich sein; bei einer nahen Begegnung zwischen den beiden Galaxien vor etwa 200 Millionen Jahren wurde die Sternentstehung durch die Gezeitenwirkung zwischen den beiden Galaxien angeregt. Einen Überrest dieser Wechselwirkung können wir noch heute nachweisen, denn durch 21 cm-Beobachtungen fand man eine Brücke von neutralem Wasserstoff zwischen den beiden Galaxien.

Aktive Galaxien

Durch die Identifikation der Radioquelle Cygnus A, die 1944 von dem Amateurastronomen G.Reber mit einem selbstgebauten Radioteleskop, das im Garten seines Hauses stand, entdeckt wurde, mit einer Galaxie (Baade und Minkowski 1952) wurde die Aufmerksamkeit der Astronomen auf Eigenschaften von Galaxien gelenkt, die durch die bloße Tatsache, daß sie Ansammlungen einer großen Zahl von Sternen sind, nicht verstanden werden können. Man faßt diese Eigenschaften unter dem Sammelbegriff „Aktivität“ zusammen und meint damit eine Fülle von unterschiedlichen Erscheinungen, die nicht durch stellare Prozesse erklärt werden können und die alle auf die Freisetzung großer Energiebeträge hinweisen. Da die Aktivität ihre Ursache in der Kernregion der Galaxien hat, spricht man statt von aktiven Galaxien oft auch von aktiven galaktischen Kernen. Gemeinsame charakteristische Eigenschaften aller aktiven Galaxien sind neben einem Kern, der heller ist als der einer normalen Galaxie mit dem gleichen Hubble-Typ, nicht-thermische (Synchrotron-)Strahlung, Emissionslinien im Spektrum, die aus dem Kern stammen, sowie Variabilität über weite Spektralbereiche. Im folgenden werden die unterschiedlichen Typen aktiver Galaxien besprochen.

Radiogalaxien

Es sind dies Galaxien, deren Strahlenleistung im Radiobereich zwischen 10 hoch 33 und maximal etwa 10 hoch 38 Watt liegt, und die damit die Radiostrahlung gewöhnlicher Galaxien, die bei etwa 10 hoch 32 Watt liegt, um Größenordnungen übertreffen. Die Strahlungsleistung geht, wie eine Analyse des Spektrums zeigt, und wie sich auch aus den meist relativ hohen Polarisationsgraden der Strahlung ableiten läßt, auf die Emission von Synchrotronstrahlung zurück.

Die Quelle der Strahlung sind Elektronen, die sich mit relativistischen Energien in großräumigen Magnetfeldern bewegen. Benutzt man die Theorie der Synchrotronemission, so ist man in der Lage, aus der gemessenen Leuchtkraft im Radiobereich und der linearen Ausdehnung der Quelle ihren Energieinhalt auszurechnen, der sich als Summe aus der Bewegungsenergie der Teilchen und der in den Magnetfeldern gespeicherten Energie ergibt. Geht man schließlich davon aus, daß die Gesamtenergie so klein wie möglich sein sollte, so muß die Energie zu gleichen Teilen auf diese Teilchen und das Magnetfeld verteilt werden. Die so berechneten Energien liegen im Bereich 10 hoch 48 … 10 hoch 53 Joule und reichen damit bereits nahe an die in Galaxien insgesamt verfügbare Kernenergie von etwa 10 hoch 56 Joule heran.

Der Vergleich von Kernenergievorrat und Abstrahlung zeigt, daß Radiogalaxien entweder relativ kurzlebig sein sollten (Größenordnung etwa 10 hoch 7 Jahre), oder daß es einen sehr effizienten Mechanismus der Energienachlieferung geben muß.

Die mit Radioteleskopen hoher Auflösung beobachteten Strukturen der Radiogalaxien sind von großer Vielfalt. In etwa 30 Prozent aller Fälle liegt die Quelle zentrisch im oder um den Kern des optischen Bilds der Galaxie. Am häufigsten sind Doppelquellen, bei denen die Bereiche, aus denen die Radiostrahlung kommt, meist symmetrisch zum optischen Bild der Galaxie liegen. Aber auch sehr asymmetrische Kopf(Galaxie)-Schweif(Radioquelle)-Konfigurationen sind beobachtet worden. Die Abstände der Radioemissionsgebiete von Radioquellen können im Winkelmaß bis zu einige Grad betragen; im linearen Maßstab erreichen sie im Extremfall einen Abstand von 1 Mpc; typische Abstände betragen etwa 100 bis 300 kpc, wobei die Durchmesser der Emissionsgebiete selbst zwischen 5 und 20 kpc liegen. In den Fällen, in denen die zentrale Galaxie identifiziert werden konnte, handelt es sich meist um eine elliptische Galaxie, wie z.B. bei Cygnus A, um eine cD-Riesen-Galaxie.

Die Quelle der Aktivität ist im Kern der jeweiligen Galaxie zu suchen. Als direkter Hinweis darauf sind die stark gebündelten Strahlen (Jets) anzusehen, die aus den Kernen der Galaxien herausschießen (wie etwa aus dem Kern von M 87 = Virgo A), und die dann zum Aufbau der vom optischen Bild der Galaxie getrennten Schwerpunkte der Radioemission führen. Die Geschwindigkeiten der Jets, bestimmt durch die Messung der Doppler-Effekte, und ihre Strukturierung (Knoten) lassen auf Vorgänge im Kern schließen, in denen sehr hohe Energien freigesetzt werden, die aber zeitlich variabel sind. Die Jets verbinden die aktive Kernregion und die äußeren Radioemissionsgebiete; der Energietransport zu diesen erfolgt entlang der Jets.

Bezüglich weiterer Details über Radiogalaxien sei auf die Tabelle und die Abbildungen verwiesen. Insbesondere aus der Tabelle ergibt sich, daß der Begriff Radiogalaxie, der ja nur auf einen Exzeß nichtthermischer Radiostrahlung hinweist, relativ unspezifisch ist.

Einige der hellsten Radiogalaxien

KatalogNr. – Typ – mv – Radiofluß bei 1.4 GHz – Spektralindex Alpha – Rotverschiebung z – L in 10hoch 35 Watt – Bemerkungen 3C 33 – DE4 – 15.9 – 12.6 – 0.70 – 0.060 – 16

3C 84 – ED2 – 11.87 – 12.8 – 0.16 – 0.0176 – 1.2 – Per A, Seyfertgal.im Perseus-Haufen (NGC 1275)

PKS 0320-37 – S0 – 8.9 – 116 – 0.5 – 0.0058 – 1 – For A, NGC 1316

3C 98 – ED3 – 14.45 – 9.6 – 0.67 – 0.0306 – 3.2

PKS 0518-45 – D – 15.7 – 66 – 0.75 – 0.0342 – 20 – Pic A

PKS 0521-36– N – 16.8 – 16.3 – 0.66 – 0.061 – optisch variabel

3C 218 – D2 – 14.2 – 43 – 0.90 – 0.065 – Hyd A, im Haufen

3C 231 – Ir II – 9.2 – 7.9 – 0.42 – 0.0011 – M 82, NGC 3034

3C 270 – E – 10.4 – 15.3 – – – 0.07 – 0.25 – NGC 4261

3C 274 – E – 8.74 – 197 – – – 0.0041 – 1 – Vir A, M 87,NGC 4486

PKS 1322-42 – DE3 – 6.98 – 912 – – – 0.0009 – 0.5 – Cen A, NGC 5128

3C 295 – D – 20.11 – 23.1 – – – 0.4614 – 1600

3C 348 – D2,3 – 16.90 – 43 – 0.91 – 0.1533 – 400 – Her A

3C 353 – D3,5 – 15.36 – 49 – 0.55 – 0.0307 – 16 – hellste Galaxie in einem Haufen

3C 390 – N – 14 – 12.3 – – – 0.0569 – 13

PKS 1934-63 – E – 16 – 13 – – – 0.182 – 80

3C 405 – D3 – 15.14 – 1255 – – – 0.0570 – 1600 – Cyg A

3C 433 – D8 – 16.24 – 11.9 – – – 0.1025 – 50

PKS 2152-69 – D – 13.8 – 25.9 – – – 0.0266 – 6.3

3C 447 – E2 – 13.2 – 3.7 – – – 0.0181 – 0.4

Bei den im folgenden besprochenen Typen sind die Kriterien für die Zugehörigkeit einer Galaxie zu einer dieser Klassen viel einschränkender.

Seyfert-Galaxien

Dies sind Galaxien mit besonders starker Konzentration der Leuchtkraft zum Kern, der selber gelegentlich mehr als 50% der Gesamtstrahlung der Galaxie beisteuert und der als das Zentrum der Aktivität anzusehen ist. Sie wurden 1943 von C.K.Seyfert (1911-1960) im optischen Spektralbereich entdeckt.

Charakteristische Zeichen sind starke und breite Emissionslinien. Nach ihren Breiten, die auf Doppler-Effekte und damit auf turbulente Strömungen zurückgeführt werden, werden zwei Typen von Seyfert-Galaxien unterschieden:

Seyfert 1-Galaxien mit (erlaubten) Linien, deren Breiten auf Geschwindigkeiten der Größenordnung 10 000 km s-1 hindeuten. Sie besitzen außerdem verbotene Linien, die auf dünnes Gas hindeuten. Die verbotenen Linien sind schmaler als die erlaubten Linien, ihre Breiten betragen 500 bis 5000 km s-1. Zum Teil treten Linien mit sehr hoher Ionisation auf, wie z.B. (FeX) und (FeXIV). Da diese Linien strahlungsionisiert sind (Photoionisation), muß in Seyfert-Galaxien ein heißes Objekt mit einer Temperatur von mehreren 100 000 K vorhanden sein, von dem die ionisierende Strahlung ausgeht.

In Seyfert 2-Galaxien haben die erlaubten und die verbotenen Emissionslinien die gleiche Linienbreite; sie sind sehr viel schmaler (300 bis 1000 km s-1) als die Linien in Seyfert 1-Galaxien.

Seyfert 1-Galaxien strahlen sehr stark im Röntgenbereich, sie haben erhöhte Emission, sowohl im UV als auch besonders im IR. Sie sind relativ schwache Radiogalaxien, wobei bei vielen überhaupt keine Radiostrahlung gemessen werden konnte. Man findet bei ihnen ein starkes nichtthermisches Kontinuum, das bis zu sehr hohen Energien von 50 keV nachgewiesen und als Synchrotronstrahlung identifiziert werden konnte. Man kann daraus sofort schließen, daß in Seyfert-Galaxien sehr energiereiche Synchrotron-Elektronen vorhanden sein müssen. Im sichtbaren Spektralbereich ist dieses nicht-thermische Kontinuum dem stellaren Kontinuum überlagert. Viele Seyfert 1-Galaxien sind variabel mit Amplituden der Größenordnung 0m.5 und Zeitskalen von Monaten oder Jahren, wobei die Variabilität in allen Spektralbereichen auuftritt.

Seyfert 2-Galaxien sind im Röntgenbereich schwächer, dafür aber im IR und im Radiobereich eher heller als Seyfert 1-Galaxien. Das optische Kontinuum kommt überwiegend von Sternen, die starke IR-Strahlung dagegen von erwärmtem Staub; es handelt sich hierbei wie bei den Starbust-Galaxien um Ausbrüche von Sternentstehung.

Einige der hellsten Seyfert-Galaxien

Katalog Nr.Alpha 1950 – Koordinaten Delta 1950 – Rotversch.z – Helligkeit m v Seyfert 1:

NGC 3227 – 10h20m47s – 20°07´ – 0.0033 – 13.5

NGC 3516 – 11h03m24s – 72°50´ – 0.0093 – 13.1 var

NGC 4151 – 12h08m01s – 39°41´ – 0.0033 – 12.0 var

NGC 5548 – 14h15m44s – 25°22´ – 0.017 – 13.7 var

Mrk 509 – 20h41m26s – -10°54´ – 0.0355 – 10.0 var

NGC 7469 – 23h00m44s – 08°36´ – 0.0167 – 13.6 var

Seyfert 2:

NGC 1068 – 02h40m07s – -00°14´ – 0.00363 – 10.5

Mrk 3 – 06h09m48s – 71°03´ – 0.0137 – 13.8

Radiogalaxien mit aktiven Kernen

Diese Galaxien gehören nach ihrer Gestalt zum großen Teil in die Klasse der N-Galaxien, „Galaxien“ mit einem hellen sternartigen Kern, der den größten Teil der Gesamthelligkeit beiträgt und der von einem schwachen Nebel geringerer Ausdehnung umgeben ist. Sie ähneln also den Seyfert-Galaxien.Viele haben auch starke Emissionslinien.

Sie werden wie die Seyfert-Galaxien nach der Breite der Emissionslinien in zwei Klassen eingeteilt:

1. sehr breite Linien (10 000 km s-1) und schmale verbotene Linien;

2. schmalere Linien (500 km s-1), sowohl erlaubte als auch verbotene.

Einige dieser Radiogalaxien sind als Röntgenquellen identifiziert worden. Auch Variabilität wurde beobachtet.

Quasi-stellare Objekte (QSO)

QSO (Quasi-stellar object) ist die allgemeinere Bezeichnung für die Objekte, die lange Jahre als Quasare bekannt waren. Der Name Quasar ist eine Abkürzung für Quasi-stellar radio source (Quasistellare Radioquelle). Die ersten Quasare waren starke Radioquellen aus dem dritten Katalog der Cambridger Himmelsdurchmusterung, die mit sternartigen Objekten identifiziert wurden. Für einige Jahre blieb absolut unklar, um was für Objekte es sich dabei handelte; man wußte nur, daß es keine normalen Sterne sein konnten, da diese keine so starke Radiostrahlung aufweisen konnten. Insbesondere sah auch das optische Spektrum eines solchen Quasars sehr merkwürdig aus, da es ein blaues Kontinuum mit sehr breiten Emissionslinien zeigte, die niemand identifizieren konnte. Erst 1963 fand M.Schmidt bei 3C273, daß es sich bei den Emissionslinien um stark rotverschobene Linien (z=0.158) der Wasserstoff-Balmer-Serie sowie einiger anderer Elemente handelte. (z=DeltaLambdaversch/Lambdalab=v/c ist ein Maß für die Rotverschiebung). Da eine Rotverschiebung z=0.158 einer Geschwindigkeit von 45 000 km s-1 entspricht, nahm er an, daß es sich bei 3C273 nicht um ein nahes Objekt handelt, sondern um eine sehr weit entfernte, extrem helle Galaxie. Mit H=50 km s-1 Mpc-1 erhält man für 3C273 eine Entfernung von 1000 Mpc.

Sehr schnell wurden weitere Quasare identifiziert, und inzwischen sind mehr als 6000 bekannt, wobei bei der Mehrzahl von ihnen keine Radiostrahlung gefunden wurde. Es hat sich deshalb eingebürgert, statt von quasi-stellaren Radioquellen allgemeiner von quasi-stellaren Objekten (QSO) zu reden. Gefunden werden die QSO ohne Radiostrahlung aufgrund ihrer optischen Eigenschaften (blaue Farbe, Emissionslinien im Spektrum) oder aufgrund ihrer starken Röntgenstrahlung. QSO sind sehr weit entfernte blaue Galaxien, die die absolut hellsten Objekte im Universum sind. Im visuellen Strahlenbereich sind sie mehr als hundertmal so hell wie elliptische Riesengalaxien. Die charakteristischen Eigenschaften von QSO sind:

1. Das optische Bild ist sternartig, oft von einem Fixstern nicht zu unterscheiden. Sie bilden den kompakten Kern von Galaxien, die – da sie viel lichtschwächer sind als die Quasare – nur mit neuen, hochempfindlichen elektronischen Detektoren bei den näheren QSO nachzuweisen sind. Bei bisher allen QSO mit z<0.5, die eingehender untersucht wurden, wurden Galaxien gefunden. In allen Fällen handelt es sich dabei um sehr helle Galaxien mit -23<Mv←21.

2. Im Spektrum werden breite, stark rotverschobene Emissionslinien beobachtet. Die Rotverschiebungen z=DeltaLambda/Lambda liegen im Bereich 0.1 bis 4.9; Werte um z=2 sind besonders häufig.

Werden die Rotverschiebungen auf die Expansion des Kosmos zurückgeführt, so sind die Quasare diejenigen Einzelobjekte, die in den größten bisher überbrückten Entfernungen nachgewiesen wurden. Entsprechend groß muß ihre Helligkeit sein, -33<Mv←25, was einer Strahlungsleistung (im visuellen Bereich) von 10 hoch 38 bis 10 hoch 41 Watt oder 10 hoch 12 bis 10 hoch 14 L entspricht.

Trotz ihrer großen absoluten Helligkeiten sind die Quasare wegen ihrer großen Entfernungen scheinbar recht lichtschwache Objekte. Mit m v = 12.8 ist unter ihnen 3C273 der hellste (Position (1950) =12h26m33s,=+02°20´).

3. Neben den Emissionslinien werden gelegentlich ein oder mehrere Systeme von Absorptionslinien mit z-Werten beobachtet, die kleiner sind als die Rotverschiebung des Systems der Emissionlinien. Diese Absorptionlinien stammen von einzelnen Wolken intergalaktischer Materie, die auf dem Sehstrahl zwischen Beobachter und QSO liegen.

4. Quasare sind starke Quellen im Röntgenbereich. Zwischen 0.2 und 5 keV strahlen sie etwa die gleiche Energie wie im sichtbaren Spektralbereich ab. Röntgendurchmusterungen sind deshalb ein ausgezeichnetes Mittel, QSO zu finden. Man erwartet, daß bei der ROSAT-Himmelsdurchmusterung mindestens 20 000 QSO gefunden werden. Auch im IR-Spektralbereich ist die Strahlungsleistung der QSO etwa so groß wie im sichtbaren Bereich. Wie die Seyfert-Galaxien haben auch die QSO ein starkes nicht-thermisches Kontinuum, das von Synchrotronstrahlung herrührt. Allerdings nimmt man an, daß sehr energiereiche Röntgenphotonen (E > 50 keV) und -Quanten, die z.B. bei 3C273 gefunden wurden, durch den inversen Compton-Effekt erzeugt werden. Im IR ist ihre Strahlungsleistung noch größer als im optischen Bereich.

5. Wie schon erwähnt, ist die Emission der meisten Quasare im Radiobereich unbedeutend. Einige sind jedoch starke Radioquellen, etwa die Hälfte von diesen mit der typischen Struktur der Radiogalaxien: zwei Quellen symmetrisch zum Zentralobjekt. Durch VLBI-Beobachtungen mit sehr hoher Winkelauflösung fand man, daß die innern Bereiche vieler Radio-QSO aus zwei oder mehr Komponenten bestehen, einer sehr kleinen (<1´´) kompakten zentralen Quelle und einer ausgedehnten, länglichen Jet-Quelle, die bei 3C273 auch im sichtbaren Bereich gefunden werden konnte.

6. Bei einer ganzen Reihe von Quasaren ist Variabilität der Emission beobachtet worden. Die charakteristischen Zeitskalen der nichtperiodischen Helligkeitsschwankungen können Jahre, aber auch nur Tage auftreten.

Einige der hellsten Quasare

Objekt Alpha 1950 – Koordinaten Delta 1950 – Rotversch. z – Helligkeit m v

PKS 0736+01 – 07h36m43s – 01°44´ – 0.192 – 16.5

3C 232 – 09h55m25s – 32°38´ – 0.533 – 15.8

Ton 490 – 10h11m06s – 25°04´ – 1.63 – 15.4

PKS 1217+02 – 12h17m39s – 02°20´ – 0.240 – 16.5

3C 273 – 12h26m33s – 02°20´ – 0.158 – 12.8

1331+170 – 13h31m10s – 17°04´ – 2.08 – 16.0

3C 323.1 – 15h45m31s – 21°01´ – 0.264 – 16.7

3C 351 – 17h04m03s – 60°49´ – 0.371 – 15.3

PKS 2135-14 – 21h35m01s – -14°46´ – 0.200 – 15.5

BL-Lacertae-Objekte

BL Lac-Objekte, so benannt nach ihrem Prototyp BL Lacertae, sind wie die Quasare sternartige Objekte, ebenfalls von Galaxien umgeben, die allerdings auch nur in wenigen Fällen nachgewiesen werden konnten. Von den Quasaren unterscheiden sie sich vor allem dadurch, daß sie keine Emissionslinien zeigen. Auch die Absorptionlinien fehlen oder sind nur schwach angedeutet. Entfernungsbestimmungen von BL Lac-Objekten, von denen etwas mehr als 100 bekannt sind, sind dementsprechend sehr schwierig und in vielen Fällen sehr unsicher. Charakteristisch für die BL Lac-Objekte ist, daß ihre Strahlung in hohem Maß polarisiert ist. Die Emission aller BL Lac-Objekte ist stark variabel. Zeitskalen von Tagen bis Monaten sind typisch. BL Lac selber (Position (1950) =22h00m40s,=42°02´) hat die mittlere Helligkeit m v =14.5. Die aus dem Spektrum der umgebenden Galaxie abgeleitete Rotverschiebung ist z=0.069.

Einige der hellsten BL Lac-Objekte

Objekt — Koordinaten Alpha(1950)— Koordinaten Beta(1950)— Rotverschiebung z — Helligkeit m v

AO 0235+164 — 02h35m53s — 16°24` — —- — 15.5 PKS 0521-365 — 05h21m14s — -36°30´ — 0.55 — 15.0 PKS 0548-323 — 05h48m50s — -32°17´ — 0.069 — 15.5 OJ 287 — 08h51m57s —20°18´ — — — 14.0 Mkn 421 — 11h01m41s — 38°29´ — 0.308 — 13.5 Mkn 180 — 11h33m30s — 70°25´ — 0.0458 — 15.0 Ap Lib — 15h14m45s — -24°11´ — 0.049 — 15.0 Mkn 501 — 16h52m12s — 39°50´ — 0.034 — 13.8 BL Lac — 22h00m40s — 42°02´ — 0.0688 — 14.5

Ursache der Rotverschiebung

Wegen der ungewöhnlichen großen Leuchtkräfte der QSO, die sich bei einer kosmologischen Interpretation der Rotverschiebung nach dem Hubble-Gesetz ergeben, wurde eine solche Deutung lange Zeit von einigen Astronomen bezweifelt. Ihrer Ansicht nach sollte es sich bei QSO um ein „lokales Phänomen“ handeln; QSO könnten demnach Objekte sein, die aus einer nahen Galaxie her ausgeschleudert werden, oder bei der Rotverschiebung handle es sich um gravitative Rotverschiebung. Inzwischen gibt es jedoch so viele zwingende Gründe für eine kosmologische Rotverschiebung, daß diese Deutung heute nicht mehr ernsthaft angezweifelt wird:

1. Viele QSO wurden in Gruppen oder Haufen von Galaxien gefunden, in denen die Galaxien die gleiche Rotverschiebung wie die QSO besitzen.

2. Für z<0.5 wurde bei allen QSO die Muttergalaxie mit der gleichen Rotverschiebung beobachtet.

3. Bei der Leuchtkraft gibt es einen stetigen Übergang zwischen Radiogalaxien, Seyfert-Galaxien und QSO.

4. Es wurden sogenannte Doppel-Quasare gefunden. Hierbei handelt es sich um am Himmel sehr eng benachbarte QSO mit einem Abstand von einigen Bogensekunden, die identische Spektren mit identischer Rotverschiebung sowie eine korrelierte Variabilität besitzen. Es handelt sich dabei um zwei Bilder ein- und desselben Objekts, dessen Lichtstrahlen durch das Gravitationsfeld einer massereichen Galaxie, die sich etwa auf halbem Weg zwischen uns und dem QSO befindet, so abgelenkt werden, daß wir zwei Bilder sehen. Solche Objekte werden auch als Gravitationslinsen bezeichnet, da der ganze Vorgang dem der Brechung von Licht an einer Linse sehr ähnlich ist.

5. Es wurden keine QSO mit Blauverschiebung gefunden. Solche Objekte sollten existieren, wenn QSO Objekte wären, die aus einer Galaxie herausgeschleudert werden.

Faßt man die Eigenschaften der Seyfert-Galaxien, der Radiogalaxien mit aktivem Kern, der QSO und der BL Lac-Objekte zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Die Quelle der beobachteten nicht-thermischen Strahlung ist offenbar sehr klein (gemessen an der Ausdehnung von Galaxien). Dies zeigen nicht nur das optische Bild und die Radiobeobachtungen mit hoher Winkelauflösung, sondern das muß auch aus der Variabilität geschlossen werden.

Größere Helligkeitsvariationen einer ausgedehnten Quelle sind nicht möglich, wenn die Strahlungsleistungen der einzelnen Teile der Quelle, die zur Gesamtausstrahlung beitragen, sich unabhängig voneinander ändern, da sich dann die Schwankungen der einzelnen Beiträge im Mittel etwa aufheben. Es ist also eine voneinander abhängige Variation der Beiträge erforderlich. Das setzt voraus, daß die Gesamtquelle der Strahlung nicht ausgedehnter ist als das Produkt der charakteristischen Zeitskale der Variabilität mit der höchsten Signalgeschwindigkeit (die diese Abhängigkeit bewirkt). Da diese höchste Signalgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit ist, ergeben sich Ausdehnungen der Energiequelle, die kaum größer als etwa 10 hoch 15 cm sein können und die damit an die Größenordnung von Planetensystemen heranreichen.

Schwarze Löcher

Man ist der Ansicht, daß die Energiebeträge durch den Einsturz von Materie auf sehr massereiche Zentralobjekte freigesetzt werden, möglicherweise in „Schwarze Löcher“. Damit ist der Schwarzschild-Radius r s eine untere Grenze für die Ausdehnung der zentralen Energiequelle. Bei Zentralmassen zwischen 10 hoch 6 und 10 hoch 9 M wären dies Werte von 3 x 10 hoch 11 bis 3 x 10 hoch 14 cm, sie wären also durchaus verträglich mit der maximalen Ausdehnung, wie sie aus der Zeitskale der Variabilität erschlossen werden kann.

Energieerzeugung von aktiven Galaxien

Ein Modell für die Erzeugung aktiver Galaxien muß natürlich alle beobachteten Eigenschaften erklären können. Man geht davon aus, daß für alle Arten von aktiven Galaxien die Energieerzeugung mit dem gleichen Modell beschrieben werden kann.

Bei einem Schwarzen Loch kann ein merklicher Bruchteil der Ruheenergie moc2 der einfallenden Materie in Strahlung umgesetzt werden. Die Materie kann wegen des Drehimpulses, den sie aufgrund ihrer Bahnbewegung um das galaktische Zentrum besitzt, nicht direkt auf das Schwarze Loch stürzen. Wie bei vielen engen Doppelsternen bildet sich vielmehr eine Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch, in der die Materie aufgrund der innern Reibung (Viskosität) langsam nach innen spiralt. Allerdings fällt nur ein kleiner Bruchteil der Materie in der Akkretionsscheibe tatsächlich auf das Schwarze Loch; aufgrund des sehr hohen Strahlungs- und des Gasdrucks, insbesondere im innern Teil der Akkretionsscheibe, wird der größte Teil der Materie in die Richtung, in der der geringste Widerstand herrscht, nämlich senkrecht zur Akkretionsscheibe nach außen hin beschleunigt, wodurch zwei entgegengesetzt gerichtete Materieströme relativistischer Teilchen erzeugt werden, die wir als Jets wahrnehmen. Benötigt wird dabei ein Fokussierungsmechanismus, für den sehr wahrscheinlich magnetische Felder die Ursache sind.

Auch wenn die Einzelheiten noch sehr unsicher sind, so scheint doch die Umwandlung von Gravitationsenergie in Strahlung der Schlüssel zum Verständnis der aktiven Galaxien zu sein. Rechnungen haben gezeigt, daß es nötig ist, etwa zehn Sonnenmassen pro Jahr auf das Schwarze Loch zu akkretieren, um die bei QSO beobachtete Strahlungsleistung aufzubringen.

Das Milchstraßensystem

Könnten wir das Milchstraßensystem, das Sternsystem, in dem unsere Sonne steht, und das wir daher nur von innen kennen, von außen aus großer Entfernung betrachten, so würden wir es wahrscheinlich als eine Spiralgalaxie vom Typ Sb klassifizieren, möglicherweise als einen Übergangstyp zu Sc. Diese Feststellung, für die bei extragalaktischen Systemen nicht viel mehr erforderlich wäre als die Beurteilung einer Aufnahme, ist für unsere eigene Galaxis das Ergebnis intensiver und vielfältiger Untersuchungen. Natürlich werden dabei auch Details erkannt, die bei andern Galaxien nicht beobachtbar wären, insofern hat der Blick von innen auch seine Vorteile. Viele der so gewonnen Erkenntnisse lassen sich auf andere Spiralgalaxien übertragen, so daß die extragalaktische Forschung und die Struktur unseres Milchstraßensystems sich in besonderer Weise ergänzen.

Struktur und Gestalt

Die ersten Überlegungen bezüglich der Gestalt unseres Sternsystems sind sehr einfach und direkt:

Wir gehen davon aus, daß

– das Band der Milchstraße die Himmelskugel etwa längs eines Großkreises umschließt,

– die Milchstraße sich im Teleskop in unzählige schwache Einzelsterne auflösen läßt,

– die nahen, hellen Sterne etwa gleichmäßig an der Sphäre verteilt sind.

Wir schließen daraus, daß wir uns nahezu in der Symmetrieebene eines flachen, seitlich weit ausgedehnten Sternsystems befinden. Dies waren auch die wesentlichen Schlußfolgerungen, die J.C.Kapteyn um die Jahrhundertwende aus den Beobachtungen zog.

Er erweiterte sie noch um die – wie sich später herausstellte, falsche – Vorstellung, daß sich die Sonne in der Mitte eines derartigen scheibenförmigen oder ellipsoidischen Systems befinde. Heute ist klar, daß es die Absorption im interstellaren Medium ist, die die Sicht in der Ebene der Scheibe nach allen Richtungen etwa gleichförmig begrenzt und so zu der Annahme verführt, die Sonne befinde sich im Mittelpunkt des Systems. Durch Beobachtungen von Kugelhaufen (auch in höheren galaktischen Breiten und die Bestimmung ihrer Entfernung mit Hilfe der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung der Cepheiden) hat H.S.Shapley (1885-1972) gezeigt, daß das Zentrum des Systems der Kugelhaufen und damit auch des galaktischen Systems in etwa 8 bis 10 kpc Entfernung in Richtung des Sternbilds Sagittarius liegt.

Senkrecht zur galaktischen Ebene, der Symmetrieebene des Milchstraßensystems, fällt die Dichte der Sterne rasch ab. Im Gegensatz hierzu steht das Verhalten in der galaktischen Ebene selber. Hier sind einem langsamen Abfall mit zunehmender Entfernung vom galaktischen Zentrum Schwankungen überlagert, die als Spiralarme gedeutet werden können.

Sternzählungen, auf denen diese Aussage beruht, sind wegen der starken Absorption durch interstellare Materie nur bis zu einer Entfernung von etwa 2 kpc möglich. In größeren Entfernungen kann zwar die Dichte des interstellaren Mediums noch durch die Beobachtung der 21 cm-Linie bestimmt werden, die Gesamtdichte, also die Sterne plus interstellare Materie, ist jedoch nur noch indirekt aus der Rotationsgeschwindigkeit der Galaxis zu erschließen. – Die Tabelle gibt einen ungefähren Anhalt für den Dichteverlauf in der galaktischen Scheibe.

Dichteverlauf der galaktischen Scheibe

Abstand vom Zentrum in kpc — Dichte (Sterne und interstellares Medium)in 10 hoch -24 g cm hoch -3

1 — 200

2 — 120

4 — 60

6 — 35

8 — 20

10 — 10

12 — 5

14 — 2.5

16 — 1.5

18 — 1

20 — 0.5

Die Spiralstruktur ist relativ schwierig nachzuweisen, da sie in der allgemeinen Sterndichte nur schwach ausgeprägt ist. Viel deutlicher kann sie an den jungen O- und B-Sternen, den HII-Regionen, und an den jungen Sternhaufen erkannt werden. So verwendet man diese Objekte als Spiralarm-Indikatoren. Mißt man ihre Entfernungen und trägt sie zusammen mit ihren galaktischen Längen in ein Diagramm ein, so erkennt man einigermaßen deutlich Abschnitte von drei Spiralarmen. Sie werden nach den Sternbildern bezeichnet, in denen sie vorwiegend gesehen werden: der Perseus-Arm, der Orion-Arm, der – da er die Sonne enthält – auch als lokaler Arm bezeichnet wird, und der Sagittarius-Arm.

Relativ wenig Aufschluß über die Spiralstruktur gibt die Flächenhelligkeit der Milchstraße; sie ist zu sehr durch die Verteilung dunkler, also absorbierender interstellarer Materie beeinflußt. Sehr viel deutlicher sind die Spiralarme an der Verteilung des interstellaren neutralen Wasserstoffs zu erkennen, wie sie aus der Beobachtung der 21 cm-Linie abgeleitet wurde.

Aber auch diese Methode der Bestimmung der Lage der Spiralarme hat ihre Schwierigkeiten, die daher rühren, daß die Entfernungen der Gasmassen, die die 21 cm-Linie emittieren, nur sehr indirekt aus den Doppler-Verschiebungen dieser Linie erschlossen werden können. Man muß hierfür Annahmen über den Bewegungszustand des Wasserstoffgases machen. Da sich lokale Abweichungen vom globalen Geschwindigkeitsfeld und von der mittleren Dichteverteilung völlig gleichartig auf das Spektrum auswirken, sind zuverlässige Rückschlüsse auf die radiale Dichteverteilung nur möglich, wenn bereits ein Modell der Dynamik der Milchstraße zugrunde gelegt wird, das einen Zusammenhang zwischen der Dichteverteilung des Gases und seinem Geschwindigkeitsfeld (kurz das Rotationsgesetz) ausdrückt.

Die Ansichten über die Ursache der Spiralstruktur haben sich mit der Zeit gewandelt. Während man diese Struktur früher primär als Folge von turbulenten Strömungen des interstellaren Gases in Verbindungen mit der differentiellen Rotation (innen schneller als außen) der Galaxis zu verstehen suchte, geht man heute davon aus, daß es sich hier vorwiegend um eine Erscheinung der Stellardynamik handelt.

Man konnte zeigen, daß die Verteilung der Sterne, die um ein gemeinsames Massezentrum gleichsinnig umlaufen, nicht gleichförmig zu sein braucht, wenn man die wechselseitige Anziehung in den Rechnungen berücksichtigt. Es gibt insbesondere zunehmend Hinweise darauf, daß – wegen der Symmetrie des Systems und der gleichsinnigen Rotation – Dichtestörungen von Spiralstrukturen besonders leicht auftreten können. Zwar ist es bisher nicht gelungen, diese zuerst von Lin propagierte Theorie im Sinn einer Störungstheorie so weit durchzuführen, daß beispielsweise die Anwachsraten für verschiedene Störungstypen wirklich berechnet werden könnten, aber Simulationen der Dynamik von Galaxien als Vielteilchensysteme mit Hochleistungscomputern belegen das Auftreten von Spiralstrukturen als natürliches Störungsmuster. Geht man von diesen Vorstellungen aus, so hat man anzunehmen, daß auch das Gravitationsfeld der Galaxis eine Störung von spiraliger Struktur hat, und daß diese sich dann in der Verteilung des interstellaren Gases besonders bemerkbar macht. Die starke Bevorzugung der Bereiche mit niedrigstem Gravitationspotential (in unserm Fall also der Spiralarme) durch das Gas, die ja ihren Ausdruck auch in der Tatsache findet, daß das interstellare Gas in unserer Galaxis ein besonders flaches System bildet, rührt von den starken Reibungsverlusten der turbulenten Strömungen her. Die höhere Gaskonzentration in den Armen macht diese dann zu Bereichen hoher Sternentstehungsraten und damit zu optisch auffälligen Gebilden.

Die Spiralarme stellen jedoch nur einen kleinen Teil der Masse der Scheibe dar, sie fallen nur stark auf durch ihre vielen extrem hellen jungen Sterne und die von diesen beleuchteten Gasnebel. Die weitaus größere Masse der älteren Sterne ist gleichmäßig über die Scheibe verteilt, hat jedoch ihre ehemals hellen Sterne inzwischen durch die Sternentwicklung verloren.

Das Spiralsystem ist eingebettet in eine wesentlich größere, etwa kugelförmige „Wolke“ geringer Dichte, den sogenannten Halo. Ihm gehören die Kugelhaufen an, aber auch viele einzelne Sterne. Unter ihnen sind besonders die RR Lyrae-Sterne bekannt und näher untersucht. Die äußeren Bereiche, die nach neuesten Erkenntnissen noch weit über den „klassischen“ Halo bis zu den Magellanschen wolken hinausreichen, bezeichnet man heute als Korona. Halo und Korona tragen wahrscheinlich den überwiegenden Teil zur Gesamtmasse des Milchstraßensystems bei.

Rotation

Die ganze Scheibe des Milchstraßensystems rotiert um ihre Hochachse, jedoch nicht wie ein starrer Körper, sondern jeder einzelne Stern des Systems durchläuft seine eigene Bahn, die annähernd kreisförmig das Zentrum des Milchstraßensystems umschließt. Für Sterne in verschiedenen Abständen von diesem Zentrum sind auch die Umlaufgeschwindigkeiten verschieden, da die Bewegung jedes Sterns der Bedingung genügen muß, daß die Zentrifugalkraft aufgrund der Bahnbewegung gerade im Gleichgewicht steht mit der Gravitationskraft, die von der Gesamtheit aller andern Sterne ausgeübt wird. Dieser allgemeinen galaktischen Rotation, die von der Größenordnung 150 bis 250 km/s ist, sind die meist viel kleineren Pekuliarbewegungen der Sterne überlagert.

In unserer näheren Umgebung (bis etwa 2 kpc Entfernung) kann die Rotationsgeschwindigkeit durch Messen der Radialgeschwindigkeiten und der Eigenbewegungen vieler Sterne und anschließendes Mitteln (bei dem sich der Anteil der Pekuliarbewegungen im wesentlichen heraushebt) erhalten werden. Für größere Entfernungen verhindert die interstellare Absorption umfassende optische Beobachtungen. Im Innern der Sonnenbahn liefern radioastronomische Messungen der 21 cm-Linie des neutralen Wasserstoffs zuverlässige Informationen über die Rotationsbewegung. Innerhalb eines Abstands von 3 kpc vom galaktischen Zentrum ist die Dichteverteilung des neutralen Wasserstoffs jedoch sehr viel komplizierter, so daß Messungen von Einzelobjekten hinzugezogen werden müssen. Auch außerhalb der Sonnenbahn ist die Datenreduktion erheblich schwieriger, so daß der Wert der Rotationsgeschwindigkeit noch größeren Unsicherheiten unterliegt. Als gesichert gilt, daß die „Rotationskurve“ bei mindestens 30 kpc noch flach verläuft. Die Entfernung, in der die Rotationskurve in die Kepler-Rotation übergeht, ist allerdings nach wie vor Gegenstand kontroverser Diskussionen.

Masse

Es wurde bereits erwähnt, daß für jeden Stern auf seiner Bahn um das galaktische Zentrum Gleichgewicht herrscht zwischen der Fliehkraft und der von allen andern Sternen ausgeübten Anziehungskraft. Deswegen kann aus dem Verhalten der Rotationsgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Abstand zum Zentrum – also aus dem Rotationsgesetz – auf die Masseverteilung des Milchstraßensystems und damit letztlich auch auf seine Gesamtmasse geschlossen werden. Bei kugelförmiger Masseverteilung ist die Geschwindigkeit, mit der eine Bahn durchlaufen wird, vollständig bestimmt durch den Masseanteil, den sie umschließt. Da die Masseverteilung der Galaxis aber von der sphärischen Symmetrie abweicht, erfordert dieses Prinzip zusätzliche Annahmen und Modellvorstellungen und ist daher nicht eindeutig.

Eine Abbildung zeigt ein Modell der Masseverteilung in der Galaxis, das mit den gemessenen Rotationsgeschwindigkeiten bis zu einem Zentrumsabstand von etwa 15 kpc verträglich ist.

Würden die weit außen liegenden Massen im wahren Sinne des Wortes nicht mehr ins Gewicht fallen, so müßten von dort an die Bahngeschwindigkeiten entsprechend dem dritten Keplerschen Gesetz mit 1/r (r Abstand vom Zentrum) abnehmen. Ein derartiges Verhalten ist aber weder bei unserm Milchstraßensystem (die Rotationsdaten sind hier noch sehr unsicher) noch bei andern Spiralgalaxien festgestellt, eher die Tendenz zu nahezu konstanten Rotationsgeschwindigkeiten. Ein analoges Verhalten der Rotationskurven hat man auch bei andern Spiralgalaxien gefunden. Man muß hieraus den Schluß ziehen, daß auch in sehr großen Abständen vom Zentrum unseres Milchstraßensystems noch merkliche Bruchteile der Gesamtmasse liegen.

Dunkle Materie

Da sich der Widerspruch zwischen sichtbarer und dynamischer Masse mit zunehmender Längenskala verschärft (für Galaxienhaufen deckt die sichtbare Masse nur noch wenige Prozent der dynamisch erforderlichen Massen ab), hat das Problem der „dunklen Materie“ (missing-mass problem) inzwischen kosmische Dimensionen angenommen. Zu den Lösungsvorschlägen gehören so exotische und heftig umstrittene Hypothesen wie riesige Neutrinoansammlungen (wenn sich heraustellen sollte, daß die Neutrinos tatsächlich eine nicht verschwindende Ruhemasse hätten) und primordiale Schwarze Löcher. Ein aktueller interessanter Lösungsvorschlag von E.A.Valentijn ist die Beobachtung, daß auch in Aufsicht gesehene Spiralgalaxien anscheinend nicht, wie man immer angenommen hatte, durchsichtig sind. Damit wäre ein Teil der fehlenden Materie einfach in sichtbarer Materie zu suchen, die durch Absorption verborgen bleibt. Für den Astronomen ist es auf jeden Fall eine Herausforderung, feststellen zu müssen, daß der wesentliche Teil der Masse in unserer Galaxis und eventuell im ganzen Kosmos für ihn unsichtbar ist.

Sternpopulationen

Die Beobachtungen zeigen, daß der bereits erwähnte Abfall der Sterndichte in Z-Richtung, also in Richtung senkrecht zur galaktischen Ebene, für Sterne verschiedenen Typs unterschiedlich ist. Es gilt offenbar die Regel: je jünger die Sterne sind, um so steiler ist der Abfall, um so stärker also die Konzentration zur galaktischen Ebene.

Eine unmittelbare Konsequenz der unterschiedlichen Verteilung der verschiedenen Sterntypen ist, daß die Zusammensetzung der „Sternbevölkerung“ in unserm galaktischen System nicht überall gleich sein kann. Dieser von W.Baade 1944 eingeführte Begriff, für er den die Bezeichnung Sternpopulation (kurz: Population) prägte, hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. Man kann eine Sternpopulation etwa wie folgt definieren:

Eine Population umfaßt alle Sterne, deren räumliche Verteilung im Sternsystem, deren Bewegungsverhältnisse, aber auch deren chemische Zusammensetzung oder Alter ähnlich ist.

Baade unterschied die Population I, die den wesentlichen Teil der Sterne in der Scheibe unseres Milchstraßensystems umfaßt, und die Population II, der die Sterne des galaktischen Halos angehören. Diese Einteilung wurde beibehalten, aber seither erheblich verfeinert.

Mittlerer Abstand verschiedener Komponenten des Milchstraßensystems von der galaktischen Ebene an der Stelle der Sonne

Komponente — Z/kpc

OB-Assoziationen — 0.07

CO-Wolken — 0.05

interstellarer molekularer Wasserstoff (H2) — 0.06

Cepheiden — 0.07

B…F-Sterne — 0.08

diskrete Strahlung von -Strahlung — 0.1

A0-Sterne — 0.09

Population I (allgemein) — 0.09 … 0.29

interstellarer neutraler Wasserstoff (H I) — 0.1

Pulsare — 0.23 … 0.38

H II-Gebiete — 0.12

F…G-Sterne — 0.15

K…M-Sterne — 0.27

Planetarische Nebel — 0.14

Novae — 0.4

galaktisches Magnetfeld, kosmische Strahlung — 0.35 … 0.75

freie Elektronen — 0.5 … 1.0

galaktische Röntgenquellen — 0.6

Mira-Sterne — 0.25 … 0.4

Intermediäre Population II (langperiod. Veränd.) — 0.6 … 0.9

RR Lyrae-Sterne (kurzperiodisch) — 0.4

Population II (allgemein) — 1 … 4

RR Lyrae-Sterne (langperiodisch) — 2

extreme Unterzwerge — 2

Kugelhaufen — 2 … 10

In die folgende Tabelle sind außer dem Abstand von der galaktischen Ebene noch weitere, für die Population charakteristische Daten eingetragen.

Das Milchstraßensystem besteht also aus zwei Sternsystemen: einem scheibenförmigen, flachen System, das rotiert und dem die Sterne der Population I zugehören, und einem mehr sphärischen System, das nicht rotiert und das die Sterne der Population II umfaßt. Beide durchdringen sich, so daß in der Umgebung der Sonne – die selber ein Stern der Population ist – neben Sternen der Population I, die überwiegen, auch solche der Population II vorkommen. Sie sind daran erkennbar, daß sie nicht – wie wir – an der galaktischen Rotation teilnehmen, sich also von uns aus gesehen rasch gegen die allgemeine Rotation zu bewegen scheinen.

Schnellläufer in der Sonnenumgebung

Derartige Sterne werden wegen ihrer hohen Relativgeschwindigkeiten als Schnellläufer bezeichnet. Man kann Zusammenhänge veranschaulichen, wenn man im sog. Bottlinger-Diagramm die Raumgeschwindigkeiten der Sterne relativ zur Bewegung der sogenannten Sterne aufträgt. U ist dabei die Geschwindigkeitskomponente in der galaktischen Ebene radial nach außen, V die Komponente in Richtung der galaktischen Rotation. In das Diagramm sind etwa 200 Schnellläufer aus der Sonnenumgebung eingetragen. Die durchwegs negativen Werte von V zeigen, daß sie hinter der galaktischen Rotation (für die hier 250 km/s eingesetzt wurde) zurückbleiben. Bei V=-250 km/s würden die Sterne Pendelbahnen durch das Zentrum ausführen, bei noch stärkeren negativen Werten sogar gegen den allgemeinen Rotationssinn umlaufen. Eingezeichnet sind ferner Kurven gleicher Bahnexzentrität (e=1:Pendelbahn, e=0:exakte Kreisbahn) und Kurven gleichen Maximalabstands R vom Zentrum. R=10 kpc ist als Abstand der Sonne gesetzt. Sterne im Bereich R>40 kpc sind nur noch schwach an das Milchstraßensystem gebunden und daher selten.

Der unterschiedliche Bewegungszustand der beiden Sternpopulationen wird auch an der Streuung der Raumgeschwindigkeiten deutlich. Wenn die Sterne auf Kreisbahnen das galaktische Zentrum umlaufen wie die der Population I, unterscheiden sich ihre Geschwindigkeiten nur wenig; die Streuung ist also gering. Bei den stark elliptischen Bahnen von Sternen der Population II können dagegen im gleichen Raumgebiet, etwa der Umgebung der Sonne, sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten vorkommen, die Streuung ist entsprechend groß.

Wir sehen also, daß, wenn sich auch die beiden Systeme der Population I- und Population II-Sterne in der Scheibe durchdringen, es dennoch möglich ist, sie nach ihrem Bewegungsverhalten zu unterscheiden.

Streuung der Raumgeschwindigkeiten in km/s Hauptreihensterne Andere Objekte der Population I B0 15 H I-Gebiete 10 A0 20 Klassische  Cephei-Sterne 12 A5 24 Kohlenstoffsterne 34 F0 29 Weiße Sterne 50 F5 36 Planetarische Nebel 64 G0 37 RR Lyrae-Sterne 240 … 370 G5 39 Unterzwerge mit abnehmender K0 34 Häufigkeit der schweren Elemente; K5 43 zunehmend von 80 bis 250 M0 43 M5 42

Weiterhin unterscheiden sich die beiden Populationen auch durch das Alter der Sterne. Es ist bereits bemerkt worden, daß die jüngsten Sterne die stärkste Konzentration zur Scheibe zeigen. Sie sind also charakteristisch für die Population I. Der Population II fehlen dagegen junge Sterne vollständig. Dies wird beim Vergleich der Hertzsprung-Russell-Diagramme (HRD) und der Leuchtkraftfunktion beider Populationen deutlich.

Die beiden Populationen unterscheiden sich schließlich auch hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung. Diese wird üblicherweise beschrieben durch Angabe der Anzahl n von Atomkernen der jeweiligen, ein Element charakterisierenden Ordnungszahl Z, die sich in einem bestimmten Volumen befinden. Die Normierung erfolgt meist so, daß logn für Wasserstoff gleich 12 gesetzt wird. Alle Häufigkeitsangaben sind also auf die Häufigkeit des Wasserstoffs bezogen. Am genauesten ist die chemische Zusammensetzung unserer Sonne bekannt. Sie wird auch als normale Zusammensetzung bezeichnet, mit der dann die Zusammensetzung anderer Objekte verglichen wird.

Die Sterne der Population I, von den Mitgliedern der alten offenen Haufen bis zu den jungen OB-Sternen, sowie das interstellare Gas haben im großen und ganzen dieselben Elementhäufigkeiten wie die etwa 4.5x10hoch 9 Jahre alte Sonne. Demgegenüber ist bei den Sternen der Population II das Verhältnis der Metalle zum Wasserstoff bis um einen Faktor 100 … 1000 geringer, wobei die relativen Häufigkeiten der Metalle untereinander im wesentlichen dieselben sind wie bei der normalen Mischung. (Der Sternspektroskopiker bezeichnet als „Metalle“ alle Elemente schwerer als Helium.). Es besteht also eine Korrelation zwischen Alter und Metallhäufigkeit; die ältesten Sterne sind die metallärmsten.

In beiden Populationen gibt es Gruppen mit anomalen Häufigkeiten einzelner Elemente oder Elementgruppen, wie z.B. die Helium- und Kohlenstoffsterne, S-Sterne, Metall-Linien-Sterne oder peculiar A-Sterne.

Aus der Verteilung der Elemente in der Galaxis ergibt sich folgendes qualitatives Bild:

Die Oberfläche der meisten Sterne – d.h. die Schicht, für die allein Häufigkeiten spektroskopisch bestimmt werden können – hat noch dieselbe chemische Zusammensetzung, die das interstellare Gas zu der Zeit hatte, als der Stern aus ihm entstand. Demnach hat sich der Metallgehalt des interstellaren Mediums seit Entstehung der Galaxis um den Faktor 100 bis 1000 angereichert. Die Anreicherung war im wesentlichen bereits in den ersten 10hoch9 Jahren, den Geburtsjahren der Population II-Sterne, abgeschlossen, da schon die Zusammensetzung der alten Population I gleich der des heutigen interstellaren Gases ist.

Ein schwieriges Problem ist die Bestimmung der Heliumhäufigkeit in Sternen der Population II. Einerseits sind die noch nicht von der Hauptreihe wegentwickelten Sterne zu kühl für Heliumlinien im Spektrum, anderseits befinden sich die heißeren Sterne in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien, so daß ihre Atmosphärenzusammensetzung von der ursprünglichen abweichen kann. Eine sorgfältige Analyse aller verfügbaren Beobachtungsdaten und -Verfahren führt zu dem Ergebnis, daß das Helium bereits in den ältesten Sternen dieselbe hohe Häufigkeit wie in den jüngsten Objekten unserer Galaxis hat, also im Gegensatz zu den Metallen praktisch nicht mehr seit Bildung der Galaxien angereichert wurde.

Einige Daten zum Milchstraßensystem

Hubble-Typ Sb Radius in der Ebene 17 kpc

 (Holmbertg-Radius: Der Abstand vom Zentrum, bei dem die
 Flächenhelligkeit 26.5 mag/° ist.)

Dicke, senkrecht zur Ebene

 des Kerns								5 kpc
 der Scheibe								1 kpc

Durchmesser des Halo 50 kpc Durchmesser der Korona >200 kpc Abstand der Sonne

 vom Zentrum							7.7 kpc
 von der Ebene							12 pc nördlich

Rotation am Ort der Sonne

 Richtung								l=90°
 Geschwindigkeit							(225+-10) km/s
 Dauer eines Umlaufs						210 Millionen Jahre

Gesamtmasse (<120 kpc) 2x10hoch11 … 10hoch12 M Masse der Scheibe 1.8x10hoch11 M Gesamthellkeit, absolut

 (im B-Bereich)			 				MB=-20.1
 bzw. (mit MB,=+5.48)						LB=1.6x10hoch10 LB,

Masse-Leuchtkraft-Verhältnis relativ zur Sonne (M/LB)/(M/LB,)

 gesamtes System 							70+-20
 Sonnenumgebung							2.8+-0.5

Masseanteil in der Scheibe

 Sterne heller als M=+3						11 %
 Sterne schwächer als M=+3					85 %
 interstellares Gas							4 %
 interstellarer Staub							0.24 %

Geschätzte Gesamtzahl von

 Kugelhaufen							200 ... 300
 offenen Haufen							30 000
 Assoziationen							700

Abstand vom Zentrum des Milchstraßensystems

 weitester Kugelhaufen						117 kpc
 Große Magellansche Wolke					48 kpc
 Kleine Magellansche Wolke					55 kpc
 Andromedanebel (M 31)						700 kpc
 M 33									650 kpc

Der galaktische Kern

Nicht zuletzt angeregt durch die erstaunlichen Phänomene in aktiven Galaxien, besonders in ihren Kernen, hat man sich auch mit den Kernen normaler Galaxien befaßt, also mit Kernen, die zumindest auf den ersten Blick keine Anzeichen von besonderer Aktivität erkennen lassen. Das Zentralgebiet unserer eigenen Galaxis ist in diesem Zusammenhang vor allem im infraroten und im radioastronomischen Spektralbereich intensiv beobachtet worden. (Im visuellen Bereich ist die Strahlung durch interstellare Absorption um viele Größenklassen geschwächt.)

Das Zentrum unserer Galaxis liegt in Richtung des Sternbilds Sagittarius und wurde zunächst in etwa 10 kpc Entfernung vermutet. Dieser Wert wurde 1963 aufgrund einer Empfehlung der Internationalen Astronomischen Union nach dem damaligen Stand der Kenntnis eingeführt und in fast allen späteren Arbeiten als Bezugsgröße verwendet. Neuere Untersuchungen weisen jedoch eher auf eine geringere Entfernung von (7.7+-0.7) kpc hin.

Die Sterndichte im Zentralbereich kann einerseits aus der IR-Strahlung (bei etwa 2.2 m) und anderseits aus Geschwindigkeitsmessungen abgeschätzt werden. Obwohl die Interpretation dieser Daten auf einer Reihe von Annahmen basiert, zeichnet sich inzwischen ein allgemein akzeptiertes Bild der Materiekonzentration im galaktischen Zentrum ab. Sie wird in der Regel durch ein Diagramm der in einem gegebenen Radius eingeschlossenen Gesamtmasse dargestellt. Dabei zeigt sich, daß die aus der IR-Strahlung ermittelte Sterndichte weniger stark zum Zentrum hin konzentriert ist, als die Gesamtmasse.

Die Gesamtmasse des Kerns (innerhalb von 1 kpc) ergibt sich nach diesen Untersuchungen zu 10 Milliarden Sonnenmassen. Das ist zwar mehr als die Masse aller Kugelsternhaufen zusammen, aber nur wenig, verglichen mit der Gesamtmasse der Galaxis.

Der Kern zeichnet sich weiterhin durch eine Konzentration des interstellaren Mediums aus. Über seine Verteilung geben radioastronomische Beobachtungen Aufschluß. Sie erlauben überdies durch die Messung der Doppler-Effekte an den Spektral-Linien (21 cm-Linie, Molekül-Linien) eine Analyse des Bewegungszustands der zentralen Gasmasse. Von ihr kann man ganz im groben sagen, daß sie in der galaktischen Ebene bis etwa 750 pc hinausreicht, und daß sie mit einer Dicke von etwa 200 pc senkrecht zur galaktischen Ebene ausgedehnter ist als das Gas in der Scheibe. Diese zentrale Gasmasse ist selber stark strukturiert. Zumindest in ihren Außenbezirken rotiert sie und paßt sich damit der allgemeinen galaktischen Rotation an.

Diesem allgemeinen Bild, das zwar den Eindruck einer starken Massekonzentration vermittelt, aber keine Hinweise auf irgendeine Art von Aktivität gibt, sind einige auffällige Phänomene überlagert. Das erste in etwa 3 kpc Entfernung vom Kern in der galaktischen Ebene. Nimmt das Gas weiter außen nur an der galaktischen Rotation teil, bewegt sich also in konstanter Entfernung vom Zentrum auf Kreisbahnen, so strömen hier Gasmassen zusätzlich zu ihrer Rotationsbewegung mit Geschwindigkeiten von über 100 km/s radial nach außen. Man ist geneigt, diese expandierenden 3 kpc-Arme, die etwa eine Million Sonnenmassen umfassen, auf eine gigantische Explosion im galaktischen Zentrum zurückzuführen, die – nach Geschwindigkeit und zurückgelegter Distanz zu schließen – vor etwa 10 bis 15 Millionen Jahren stattgefunden hätte. Dies wäre das erste Anzeichen dafür, daß es auch in unserer Galaxis Phasen erhöhter Aktivität gegeben hat.

Bei weiterer Annäherung an das Zentrum nimmt unterhalb von etwa 1 kpc Entfernung die Temperatur des Gases und des beigemischten Staubs zu, da die Heizung durch die Strahlung der Sterne wegen ihrer zunehmenden Konzentration wirksamer zu werden beginnt. Das galaktische Zentrum ist also eine starke Quelle von IR-Strahlung. Tatsächlich zeigen die Beobachtungen, daß es in einem Bereich von etwa 10 pc Entfernung mehrere intensive Quellen in diesem Spektralbereich gibt.

Aktivitäten im Kern

Das Gas in der Nähe des galaktischen Zentrums ist ungewöhnlich reich an Molekülen (CO-Wolken), deren Bildung durch die hohe Dichte offensichtlich begünstigt wurde. Sie wurden alle durch Übergänge im cm- und mm-Bereich nachgewiesen. Die Doppler-Effekte dieser Linien geben Aufschluß über die Geschwindigkeitsfelder in unmittelbarer Kernnähe.

Neben dieser Linienstrahlung wird aus einer Reihe diskreter Quellen auch ein Strahlungskontinuum emittiert. Die hellste Quelle, Sagittarius A, wird heute allgemein mit dem gravitativen galaktischen Zentrum identifiziert. Andere starke Quellen, z.B. Sagittarius B2, befinden sich in großer Nähe des Zentrums (einige hundert parsec Entfernung). Auch sie zeigen deutliche Strukturen großräumiger Materiebewegungen. Die Dichte der Materie in diesen Wolken ist, gemessen an den Verhältnissen im interstellaren Raum, ungeheuer hoch (bis zu 10 hoch 12 Atome/cm3), entsprechend riesig sind die Massekonzentrationen.

Die Bewegungen der Wolken in verschiedenen Abständen vom Zentrum sind kaum mit einer stationären Rotationsbewegung verträglich. Offensichtlich sind sie Zeichen verschiedener hochaktiver Phasen des galaktischen Kerns.

Aus der Vielzahl der Beobachtungen in unterschiedlichen Frequenzbereichen ergibt sich nach heutigem Verständnis eine komplexe Hierarchie von Strukturen unterschiedlicher Skalenlängen. Radialgeschwindigkeiten erlauben darüberhinaus, die Materieströmungen im Galaxienkern versuchsweise zu modellieren. Das sich ergebende Gesamtbild ist auf Dias umrissen.

Auf der Skalenlänge bis zu 100 pc zeigt sich bei 20 cm Wellenlänge eine bemerkenswerte Struktur senkrecht zur galaktischen Ebene, der östliche Bogen (A). Er ist über die östliche Brücke mit dem Zentralbereich (rot) verbunden. Die filamentartige Struktur läßt auf den Einfluß von Magnetfeldern schließen. Die Verlängerung des Bogens hunderte von Parsec über die galaktische Ebene hinaus sowie ein etwa 200 pc breiter Jet, der das Zentrum in nördlicher Richtung (nach rechts oben) verläßt und 4 kpc verfolgt werden kann, sind auf dem Photo nicht sichtbar.

Eingeschlossen im zentralen 20 cm-Signal ist ein Ring von etwa 5×7 pc Durchmesser (Sgr A East, sichtbar im 6 cm-Bereich; B), eingebettet in einem etwa 20 pc großen Halo, der im 92 cm-Bereich initensiv strahlt. Im zentralen Hohlraum des Rings befindet sich – seitlich etwas verschoben und mit Sgr A East über Filamente verbunden – ein zweiter kleinerer Ring (Sgr A West). Dieser Ring von 4 pc Durchmesser ist im Bereich der Millimeterwellen des Übergangs 1→0 des HNC-Moleküls sichtbar. Die Temperaturen der verschiedenen Komponenten des rings liegen zwischen 400 K und ca. 2000 k, was auf effektive Heizprozesse schließen läßt. Aufgespannt wird der Ring von drei speichenartigen Filamenten, die im 6 cm-Bereich leuchten (Sgr A West; C). Diese Filamente entsprechen Materieströmen, die einem komlizierten Geschwindigkeitsmuster folgen.

In der Achse des dreispeichigen Rads liegt die Punktquelle Sgr A. Selbst unter Verwendung des VLBI (Very long baseline-Interferometer) mit einer Auflösung von 0.´´001 konnten keine Substrukturen sichtbar gemacht werden. Demnach ist die Quelle trotz ihrer intensiven Strahlung kleiner als die Jupiterbahn. Umgeben wird Sgr A von einigen intensiven Infrarotquellen. Einige davon konnten direkt mit stellaren Objekten identifiziert werden, während sich die dem Zentrum nächstgelegene Quelle IRS 16 bei 2.2 m und höherer Auflösung aus mindestens 6 Punktzellen im Abstand von 1/10 pc zusammengesetzt neigt (D). Die Natur dieser Infrarotquellen, die in ihren Eigenschaften an Wolf-Rayet-Sterne erinnern, ist nach wie vor sehr umstritten. Bei Beobachtungen desselben Ausschnitts mit dem NTT mit aktiver Optik im äußersten sichtbaren Bereich zwischen 850 und 1100 nm wurden zwei optische Signale, GZ-A und GZ-B, nördlich und südlich von Sgr A mit nur 0.´´7 Abstand (etwa 5000 AE) entdeckt (E). Untersuchungen der Radialgeschwindigkeiten im Zentralbereich der Galaxis haben gezeigt, daß bis zu 1 pc Distanz die Geschwindigkeitsstruktur mit einer etwa homogenen Dichteverteilung vereinbar ist. Bei noch kleineren Abständen zum Zentrum steigt die Geschwindigkeit jedoch wieder an, was die Existenz eines supermassiven Objekts (etwa 10hoch6 M innerhalb 0.1 pc) im Zentrum belegt. Ob es sich bei diesem Objekt um ein Schwarzes Loch oder einen supermassiven Sternhaufen handelt, ist seit längerem Gegenstand heftiger Kontroversen.

Die kurze Schilderung der komplizierten Situation im Kern unserer eigenen Galaxis, die nur sehr skizzenhaft sein konnte, muß ergänzt werden durch die Bemerkung, daß auch in den Kernen anderer, als normal geltender Galaxien (etwa M 31, Andromeda-Nebel, M 33, M 51 u.a.) bei genauerem Hinsehen deutliche Zeichen von Aktivität erkennbar sind.

Es scheint also, daß die Kerne von Galaxien (vermutlich von einer bestimmten Grenze an aufwärts) zu Aktivitätszentren werden können. Der Grad der Aktivität, bei der ungeheure Energiebeträge freigesetzt werden können, ist offensichtlich zeitlich variabel. Die Quelle der Energie wird man, wenn auch die Details der Prozesse noch weitgehend ungeklärt sind, in den überaus starken Gravitationsfeldern zu suchen haben, in denen die Materie einfällt. Es ist eine interessante Frage, ob dabei auch Energie in Form von Gravitationswellen, die nachzuweisen man sich bislang vergeblich bemüht hat, ausgestrahlt wird.