Interstellares Reisen

Tassilo Halbritter

Um in den Weltraum zu gelangen benötigt man ein geeignetes Antriebssystem. Bei den derzeit verwendeten Raketen-Antriebssystemen handelt es sich ausschließlich um Rückstoßantriebe. In der Praxis sind es am häufigsten chemische Antriebe, worunter die Feststoff- und Flüssigkeitstriebwerke fallen. Mit diesen Antrieben für Stufenraketen kann man in ein paar Tagen den Erdmond und in einigen Monaten unsere Nachbarplaneten Mars oder Venus erreichen. Reisen zu anderen Planeten in unserem Sonnensystem dauern dagegen Jahre und Jahrzehnte! Vielleicht landen noch in diesem Jahrhundert Menschen auf dem Mars (und kommen auch wieder zurück)? Doch die fantasievollen Pläne für Marskolonien können wir mit den heutigen Antrieben nicht verwirklichen und müssen sie daher den SF-Autoren überlassen. Ein Hauptproblem ist die Treibstoffmenge, die bei längeren Reisen für den Rückflug benötigt wird. Man muss sie nicht nur mitführen sondern auch mitbeschleunigen beim Verlassen des Erdschwerefeldes. Günstiger wären Starts von einer Mondbasis.

Noch schlimmer sieht die Situation bei interstellaren Flügen aus. Das nächste Sonnensystem (Centauri mit den drei Sonnen Alpha A und Alpha B sowie Proxima) ist etwas über vier Lichtjahre entfernt und mit den zur Verfügung stehenden chemischen Antrieben beträgt die Reisedauer zehntausende Jahre! Also besser Sonden, vielleicht mit Lichtsegeln, dorthin schicken?

Welche alternativen Antriebe haben sich Wissenschaftler bisher ausgedacht?

• Ionen-Antrieb
Die Radiofrequenz-Ionen-Triebwerke (RIT) erzeugen durch elektromagnetische Wellen ein Plasma, die positiv geladenen Teilchen werden anschließend durch Gitter nach außen beschleunigt. Nach der Passage des sogenannten Neutralisators, der dem Strahl wieder Elektronen zuführt und ihn somit elektrisch neutral macht, werden die Teilchen ausgestoßen. Als Stützmasse wird Xenon verwendet.

• Photonen-Triebwerk
Bei einer Photonenrakete, u. a. vorgeschlagen von Eugen Sänger, würde ein Atomreaktor eine schwarze Fläche so stark erhitzen, dass die Schwarzkörperstrahlung der Fläche Schubkraft erzeugt. Der Nachteil besteht darin, dass sehr hohe Energiemengen notwendig sind, um winzigste Schubkräfte zu erzeugen.

• Strahlensegel
Sogenannte Sonnensegel befinden sich in der Entwicklung und sollen sich den Effekt des Strahlungsdrucks zunutze machen indem sie mit einem großen Segel elektromagnetische Strahlung einfangen und davon angetrieben werden. Der Schub wäre dabei minimal (und nähme mit der Entfernung von der Strahlungsquelle quadratisch ab), jedoch entsteht er ohne Treibstoffverbrauch und bleibt stetig, solange der Einfluss von Strahlungsquellen mit dem Segel genutzt wird. Bei einem Lasersegel wird mit einem Laserstrahl auf das Segel gezielt.

• Nuklear-Antrieb
Die nukleare Salzwasserrakete wurde von Robert Zubrin vorgeschlagen. Dabei wird Wasser ein wenig (20 %) Uran- oder Plutoniumsalz beigemischt. Damit die kritische Masse nicht erreicht wird, wird das Salzwasser in verschiedenste kleine Behälter aufgeteilt, die mit Neutronenabsorbern ausgekleidet sind. Aus den verschiedensten Behältnissen wird das Salzwasser in eine Reaktionskammer gepumpt. Dort wird die kritische Masse des Uran- bzw. Plutoniumsalzes schließlich erreicht, und die nukleare Kettenreaktion beginnt. Das Wasser, in dem die Salze gelöst sind, wirkt gleichzeitig als Moderator und Stützmasse (= Antriebsmasse). Die Kettenreaktion erzeugt eine enorme Hitze, die das Wasser verdampfen lässt, das Wasserdampf-Spaltstoff-Gemisch verlässt den Antrieb durch eine Lavaldüse. Wegen des dabei erzeugten strahlenden Ausstoßes nur im Weltraum einsetzbar!


Hypothetische Antriebe

• Warp-Antrieb
Unter einem Warp-Antrieb (englisch to warp „verzerren“, „krümmen“) versteht man einen Antriebsmechanismus, der Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit durch gezieltes Krümmen der Raumzeit ermöglichen soll. Nicht das Raumschiff wird angetrieben, sondern das All bewegt sich! Denn wenn man die Raumzeit vor einem Raumschiff zusammenschieben und dahinter als Ausgleich strecken würde, könnte man mit Überlichtgeschwindigkeit sein Ziel ansteuern. Das Schiff bliebe dabei in einer Blase gefangen, in der die Besatzung nicht viel von der interstellaren Reise mitbekäme. Vergleichbar mit einem Personentransportband am Flughafen: Wenn hinter mir Boden aus dem Nichts entsteht und vor mir weggenommen wird, dann bewege ich mich!

• Wurmlöcher
Verbindungen im Raum werden über „Abkürzungen“ durch Wurmlöcher hergestellt. Wurmlöcher sind theoretische Gebilde, die sich aus speziellen Lösungen der Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie ergeben. Sie werden auch Einstein-Rosen-Brücke genannt. Der Name Wurmloch stammt von der Analogie mit einem Wurm, der sich durch einen Apfel hindurchfrisst. Er verbindet damit zwei Seiten desselben Raumes (der Oberfläche) durch einem Tunnel. Das veranschaulicht das Verbinden von zwei Orten im Universum.

• Antimaterie-Antrieb
Die Energie für diesen Antrieb würde durch eine Paarvernichtung von Materie und Antimaterie geliefert werden. Bei diesem Prozess wird die gesamte Ruheenergie der Teilchen vollständig freigesetzt. Dabei wird in eine Wolke aus Materie ein wenig Antimaterie geschossen. Die Materie erhitzt sich dadurch enorm, Kernfusionsprozesse setzen ein und erhitzen die Materie weiter. Diese wird anschließend durch eine magnetische Düse ausgestoßen.
Das größte Problem aus heutiger Sicht stellt die Erzeugung und Lagerung von Antimaterie dar!

• Neue Effekte: EmDrive, Unruh-Effekt u. a.

Quellen

Wikipedia
T. Halbritter: Wie man den Weltraum erreicht, in: topIQ 399, S. 29
Physik des Warp-Antriebes, in: Spektrum Kompakt 22.21