Kosmologische Modelle

Jeder Mensch macht sich Gedanken über Anfang und Ende, der Kosmologe treibt es halt ein bisschen weiter.

Schon in den ältesten Sagen und Legenden der Menschen finden sich Vorstellungen über die Entstehung, den Aufbau und die Entwicklung unserer Welt. Diese Fragen sind wahrscheinlich so alt wie die Fähigkeit des Menschen, über sich und die Außenwelt nachzusinnen. Bis vor kurzem waren wir auf Spekulationen oder mythologische Vorstellungen angewiesen, erst die Entwicklungen in der Astronomie und Physik führte in den letzten hundert Jahren zu einigermaßen gesicherten wissen- schaftlichen Erkenntnissen. Kosmologie kommt von griechischen ‘Kosmos’ (Weltall) und bezeichnet die Lehre vom Weltall (Kosmos, Universum) als physikalischem Teilgebiet, im Unterschied zur Kosmogonie (Weltentstehung), denn unter diesem Begriff wird heute meist nicht die Entstehung (z.B. des Sonnensystems) verstanden, sondern darunter werden die mythologischen Auffassungen von der Weltentstehung zusammengefasst.

Geschichte

Der Übergang von der Mythologie zur Naturerkenntnis in der ionischen Naturphilosophie im 6. Jh. vor der Zeitwende ermöglichte den Aufbau realistischer Modelle der Welt: Anaximander sah die Erde als Zylinder. Aristoteles verfeinerte die Modelle von Eudoxos und Kallippos, die zur Erklärung der Planetenbewegungen aufgestellt worden waren (homozentrische Sphären). Ptolemäus (um 150) erreichte unter Einbeziehung der Vorarbeiten von Hipparch und Apollonios ein Berechnungsmodell zur Vorhersage der Planetenörter (Almagest). Diese Berechnungsweise hatte mehr als tausend Jahre Bestand.

Die Kosmologie war immer mit philosophischen und theologischen Problemen verbunden. Galileis Prozess spiegelt den Gegensatz zwischen dem geozentrischen christlichen und dem heliozentrischen naturwissenschaftlichen Weltbild wider. Erst Kopernikus lieferte (unter Einbeziehung der Gesetze Keplers) ein beobachtungsgetreues Abbild der Planetenbewegung. Auf der Basis der Gesetze Newtons fand im späten 17. Jahrhundert die Auseinandersetzung um zwei unterschiedliche Weltvorstellungen statt: Entweder ist das Universum eine Materie-Insel im unendlichen Raum oder die Sterne sind homogen im unendlichen und grenzenlosen Raum verteilt. Daraus ergab sich allerdings das Olberssche Paradoxon: Summiert man die Strahlungsleistung aller Sterne in einem homogenen, unendlichem Universum, dann müsste der Nachthimmel strahlend hell sein!

Heutiger Wissensstand

Relativitätstheorie

Einsteins allgemeine Relativitätstheorie (1914 -16) war die erste Theorie, die ein globales und widerspruchfreies Modell der Welt im Großen lieferte. Durch die Weiterentwicklung der Einstein-Gleichungen durch den Russen Fridmann und den Belgier Lemaître in den Zwanzigerjahren konnten auch neuere Beobachtungen der Astronomen erklärt werden. Obwohl Hawking wichtige Beiträge geleistet hat ist die Verbindung von allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenfeldtheorie noch immer nicht gelungen.

Rotverschiebung

Hubble entdeckte 1923 – 25 auf dem Mt. Wilson mit dem neuen 2,5 m Teleskop die Rotverschiebung (ebenso V.M. Slipher, sowie C.H. Wirtz), was bedeutet, dass das Licht von fernen Galaxien systematisch zum roten Bereich des Spektrums verschoben ist. Diese Rotverschiebung wurde als Effekt der Expansion des Universums erklärt. Die Beziehung zwischen Rotverschiebung und Entfernung wird als Hubble-Gesetz bezeichnet und die Zahl Ho (Ha null), die das Verhältnis von Rotverschiebung und Entfernung angibt, wird Hubble-Konstante genannt. Die besten Messungen ergaben für Ho = 74 (± 3). Der Kehrwert dieser Konstanten ergibt das Weltalter (ca. 13 bis 14 Milliarden Jahre), denn wenn die Galaxien auseinanderstreben, hat es einmal einen gemeinsamen Ursprung gegeben!

Das Urknallmodell

ist das heutige Standardbild des großräumigen Aufbaues unseres Universums, denn die Welt wie wir sie heute beobachten, kann nicht seit unendlichen Zeiten so bestanden haben. Das Universum hat sich nach einer explosionsartigen schnellen Ausdehnung durch eine heiße und dichte Frühphase zum gegenwärtigen Zustand hin entwickelt. Das expandierende Universum ergibt sich auch als einfache Lösung der Einsteinschen Gravitationstheorie. Im Standardmodell beginnt das Universum mit einer Urexplosion (Big Bang) von unendlicher Dichte und Temperatur. Diese Anfangssingularität ist mit unserer heutigen Wissenschaft nicht beschreibbar. Doch einige Sekunden-Bruchteile nach dem Urknall gilt unsere Physik und die weitere Entwicklung lässt sich berechnen.

Mikrowellenstrahlung

1965 entdeckten Penzias und Wilson die Reliktstrahlung des Urknalls (heute nur noch 2,7 Kelvin ‘heiß’), die bereits von Alpher, Gamow und Hermann 1948 vorhergesagt worden war. Diese auch CMB (Cosmic Microwave Background) genannte kosmische Mikrowellenstrahlung bewahrt die Erinnerung an den Zustand ca. 380 000 Jahre nach dem Urknall. Die Satelliten WMAP und Planck vermaßen diese Strahlung exakt und daraus lässt sich unser Weltalter von 13,799 ± 0,021 Milliarden Jahren ableiten.

Elemententstehung

Die Astrophysiker fanden im gesamten beobachtbaren Universum eine charakteristische Häufigkeitsverteilung von Wasserstoff, Deuterium und Helium. Detaillierte Rechnungen 1967 durch Hoyle (u. a.) bestätigten, dass die primordiale Nukleosynthese (d.h. die Erzeugung von Atomkernen aus Protonen und Neutronen) 75 % Wasserstoff und 25 % Helium liefern würde. Alle schwereren Elemente wurden erst später in den im Inneren von massereichen Sternen ablaufenden Kernprozessen synthetisiert.

Der Anfang der Zeit

Bei einer Rotverschiebung von 10 Milliarden war das Universum eine Sekunde alt und seine Temperatur betrug 10 Milliarden Kelvin. Die physikalischen Vorgänge standen unter der Herrschaft der schwachen Wechselwirkung. Diese Kraft beherrscht z. B. den Zerfall des Neutrons in Proton, Elektron und Neutrino. In noch früheren Zeiten spielten Neutrinos und Antineutrinos eine große Rolle. Sie sorgten durch Impuls- und Energie-Übertragung dafür, dass sich Unregelmäßigkeiten in der Verteilung von Materie und Energie ausglichen. In den ersten Sekundenbruchteilen herrschten Bedingungen, die man heute auch mit den größten Teilchenbeschleunigern nicht erzeugen kann. Es muss ein winziges Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie bestanden haben (1 000 000 01: 1). Schaut man weiter in Richtung Anfang, so treten immer neue Materiezustände auf: bei einer Millionstel Sekunde zerfallen die Nukleonen in ihre Bestandteile, die Quarks. Bei 10^-11 Sekunden ereignet sich ein Phasenübergang, bei dem die heute getrennten Kräfte von Elektromagnetismus und schwacher Kraft verschmelzen. Bei 10^-36 Sekunden verschmilzt auch die starke Kraft mit der elektroschwachen Kraft. Bei der Planck-Zeit (10^-43 Sek. nach dem Urknall) endet die Gültigkeit der heutigen theoretischen Physik. Hier könnte eine Theorie der Quantengravitation weiterhelfen, von der erste Ansätze von Hawking erarbeitet wurden.

Das Inflationsmodell

Das klassische Standardmodell des Urknalls weist eine Reihe von Bedingungen auf, die nicht unmittelbar erklärt werden können: Eine starke Gleichmäßigkeit im Großen, obwohl die Teile des frühen Universums nicht kausal miteinander verknüpft sein konnten (Lichtgeschwindigkeit = Grenzgeschwindigkeit). Es muss also einen unbekannten Prozess gegeben haben, der die nötige Glättung herbeiführte. Das Inflationsmodell (A. Guth) leistet das: Als der Kosmos 10^-28 cm Durchmesser hatte setzte eine rasche Aufblähung um denFaktor 10^29 ein, so dass am Ende seine Größe schon 10 cm betrug! Die dafür nötige Energie nehmen die Kosmologen aus dem ‘falschen Vakuum’. Während der Inflation wurden alle Objekte ausgedünnt, ihre Dichte wurde vernachlässigbar klein und somit die erforderliche Gleichmäßigkeit erreicht.

Offene Fragen

Einstein war nach 1917 vom traditionellen, statischen, endlichen Universum ausgegangen, doch Eddington konnte 1930 zeigen, dass die Statik der Einstein-Welt instabil ist. Wir wissen heute noch nicht mit letzter Sicherheit, welche der drei Expansionsformen (offen, flach,geschlossen) zutrifft. Das hängt von der exakten mittleren Dichte des Universums (über oder unter einem bestimmten Grenzwert) ab. Ein dichtes Universum wird nach endlicher Zeit wieder zu einer Endsingularität (Big Crunch) kollabieren, wobei alle vorhandenen Strukturen vernichtet werden. 1998 zeigten Beobachtungen an fernen Supernovae, dass vor 5 Milliarden Jahren eine Beschleunigung der Expansion des Universums begann. Um die wahre Dichte des Universums zu ermitteln muss man folgende Bestandteile addieren:

Baryonische Materie (Teilchen lt. Urknallmodell): 4 %
Nichtbaryonische dunkle Materie (Neutrinos? unbekannte Teilchen?): geschätzt 23 %

Diese Materieformen erreichen also bei weitem nicht den Wert von 100 %. Es muss also eine weitere Komponente der kosmischen Materie geben, die dieses Defizit auffüllt. Eine konstante kosmische Energiedichte von 73 %? Die Physiker neigen dazu, dieses Defizit durch die Energie eines speziellen Feldes oder durch die Energie des Vakuums auszugleichen. Es bleibt ein Rätsel, was hinter dieser ‘dunklen Energie’ steckt, warum sie überhaupt vorhanden ist und warum sie gerade jetzt die kosmische Expansion bestimmt.

Leben kann sich im Universum nur in einer relativ kurzen Zeitspanne bilden und entwickeln. In frühen Zeiten gibt es noch zu wenig schwere Elemente, die für die Lebensentstehung benötigt werden (C, N, O, S, P), in späteren Zeiten sind die Energie liefernden Sterne ausgebrannt. Auch bei einem offenen, ewig expandierenden Universum ist die Existenz von makroskopischen Lebensformen an ein Weltalter von ca. 10 Milliarden Jahren gebunden. Das anthropische Prinzip besagt, dass unsere Beobachtungen über die Welt durch jene Bedingungen eingeschränkt sind, die die natürliche Voraussetzung für unsere Existenz darstellen.

Autor: Tassilo Halbritter