Kugelsternhaufen

Man kann leicht erkennen, daß die allgemein als Sternhaufen bezeichneten Ansammlungen von Sternen recht unterschiedliche Gebilde sind.

Man unterscheidet

  • Assoziationen,
  • offene oder galaktische Sternhaufen,
  • kugelförmige oder Kugelsternhaufen.

Im weiteren Verlauf werden wir uns mit den Erklärungen auf die Gruppe der Kugelsternhaufen konzentrieren, und die anderen Gruppen von Sternhaufen nur zu Unterscheidungszwecken erwähnen.

Die Kugelsternhaufen unterscheiden sich von den anderen Sternhaufen in folgenden Parametern:

  • Ort im Milchstraßensystem
  • Teilnahme an galaktischer Rotation
  • Bekannte Anzahl
  • Geschätzte Anzahl im Milchstraßensystem
  • Gegenseitiger Abstand
  • Gesamtmasse in Sonnenmassen
  • Alter in Millionen Jahren

Entfernungen von Kugelhaufen

Kugelhaufen, die so nahe sind, daß ihre hellsten Hauptreihensterne photometriert werden können, erlauben natürlich eine Entfernungsbestimmung wie bei den offenen Sternhaufen durch Vergleich ihrer Hauptreihe mit der Alter-Nullreihe.

Für weiter entfernte Haufen existiert eine zweite Methode: Es ist bekannt, daß der Horizontalast im FH-Diagramm aller Kugelhaufen eine typische Lücke aufweist. Diese Lücke wird von den Veränderlichen vom Typ RR-Lyrae ausgefüllt. Die mittlere absolute Helligkeit von RR-Lyrae-Sternen ist bekannt, sie beträgt zirka 0,5 mag. Da diese Sterne leicht identifizierbar sind, ist ihre Photometrie ein Weg zur Bestimmung der Entfernung eines Kugelhaufens.

Sind aber auch diese Sterne zu lichtschwach, um photometriert werden zu können, so gibt es eine weitere, allerdings weniger zuverlässige Methode. Diese basiert auf der Annahme, daß der Mittelwert aus den absoluten Helligkeiten der 25 hellsten Sterne eines Kugelhaufens eine charakteristische Größe ist, die für alle Haufen etwa gleich groß ist. Durch Eichung dieses Mittelwertes an Kugelhaufen, deren Entfernungen durch andere Methoden bestimmt werden konnte, läßt sich für solche lichtschwachen Kugelhaufen eine wenn auch unsichere Entfernung abschätzen.

Durch Hipparchos gelang ein weiterer großer Sprung zur Erhöhung der Genauigkeit der Entfernungsmessung von Sternhaufen.

Farben-Helligkeits-Diagramme von Kugelhaufen

Die Farben-Helligkeits-Diagramme von Kugelhaufen unterscheiden sich erheblich von denen offener Haufen. Bei KS ist die Hauptreihe hier erst bei dem Spektraltyp F5 mit Sternen besetzt. Dies ist ein allen Kugelsternhaufen-FHDs gemeinsames Charakteristikum. Daher haben die hellsten Sterne selbst der nächstgelegenen Kugelhaufen nur scheinbare Helligkeiten im Bereich 19 bis 21 mag, so daß von keinem FHD eines KS mehr als bestenfalls ein 2 bis 3 mag umfassendes Stück der Hauptreihe beobachtet werden kann. Ähnlich wie bei alten OS schließt an dieses Stück der Hauptreihe nach oben hin eine Sequenz entwickelter Sterne an, die aber sehr viel mannigfaltiger ist als im Falle eines OS. Zunächst erstreckt sich der Ast der „Unterriesen“ von einem „Abknickpunkt“ von der Hauptreihe bis zu einem Punkt im FHD. Von diesem Punkt zweigt nach links, also in Richtung zu blaueren Farben, der Horizontalast ab, der in allen KS eine charakteristische Lücke besitzt. Von dem erwähnten Verzweigungspunkt erstreckt sich schließlich nach rechts oben der Riesenast. Weniger scharf definiert ist der „asymptotische Riesenast“, der etwas oberhalb vom eigentlichen Riesenast, etwa parallel zu ihm, verläuft. Der genaue Verlauf der Riesen- und Unter-Riesen-Äste ist von Haufen zu Haufen etwas verschieden.

Die Anordnung der Sterne in den FHDs der KS wird verständlich, wenn wir die Entwicklungswege von Sternen unterschiedlicher Massen im Anschluß an ihr Dasein als Hauptreihensterne betrachten. Der Unterriesenast wie auch der Riesenast setzen sich aus solchen Sternen zusammen, die sich gerade von der Hauptreihe weg entwickeln, die im FHD also auf dem Weg nach „rechts oben“ sind, hinein in das Gebiet der Roten Riesen. Die Horizontalast-Sterne hingegen haben dieses Stadium bereits beendet und sind im FHD auf dem Rückweg, der von den Roten Riesen über die Hauptreihe hinweg zu den Weißen Zwergen führen wird.

Die Unterschiede zwischen den FHDs verschiedener KS beruhen auf Unterschieden ihrer chemischen Zusammensetzung. Die meisten KS sind erheblich ärmer an schweren Elementen als die normalen Sterne der Sonnenumgebung oder etwa die offenen Haufen. Ihre Metallhäufigkeit liegt meist zwischen 10 % und 0,5 % des für die Sonne gültigen Wertes. Modellrechnungen zur Sternentwicklung zeigen, daß die FHDs der KS, insbesondere die Lage ihrer Abknickpunkte von der Hauptreihe, auf Alterswerte von 9 bis 12 x 10 hoch 9 führen. Die Kugelsternhaufen sind folglich zu Beginn der Entwicklung unseres Milchstraßensystems entstanden, zu einer Zeit also, als diese noch arm an schweren Elementen war.

Kugelsternhaufen in der Milchstraße

Man kennt rund 150 Kugelsternhaufen in unserer Milchstraße. Die Gesamtzahl wird auf 200 bis 2000 geschätzt. Mit freiem Auge können nur wenige KS gesehen werden. Die hellsten, Omega Centauri und 47 Tucanae, befinden sich am Südhimmel. Am Nordhimmel ist M13 im Herkules noch mit freiem Auge zu erkennen; seine hellsten Sterne sind etwa 13,5 mag hell. Am Himmel zeigen die Kugelhaufen eine starke Konzentration in Richtung Scorpius-Sagittarius. Die Auflösung in einzelne Sterne gelingt meist erst mit mittelgroßen Instrumenten. Aufnahmen mit großen Teleskopen lassen in helleren Kugelhaufen mehr als 50 000 Sterne erkennen (bis über 100 000 werden als Gesamtzahl an Sternen angenommen), wobei – vom Erdboden aus – in der Mitte die einzelnen Sterne nicht mehr zu trennen sind. Erst mit dem Hubble-Weltraumteleskop konnten die Sterne in den Zentren der Kugelhaufen aufgelöst werden. Wegen ihrer großen Sternanzahl und der großen Entfernung tritt die kugelsymmetrische Symmetrie der kugelförmigen Sternhaufen sehr stark in Erscheinung, was zu dem Namen Kugelhaufen Anlaß gab. Die offenen Haufen dagegen haben bedeutend weniger Sterne und stehen uns relativ näher; sie wirken aufgelockert und werden deshalb als offen bezeichnet.

Ein großer Kugelhaufen kann bis zu 10 hoch 7 Sterne in sich vereinigen, also erheblich mehr als ein offener Haufen. Die Sterndichte innerhalb eines KS wächst steil mit Annäherung an sein Zentrum. Während in einigen KS die Linien gleicher Sterndichte kreisrund erscheinen, sind andere KS deutlich abgeplattet.

Es handelt sich dabei meist um verhältnismäßig alte Sterne der Population II.

Nach Shapley werden die KS in Abhängigkeit vom Grad ihrer Konzentration zum Zentrum in 12 Klassen I … XII eingeteilt. Die am stärksten konzentrierten Haufen stehen dabei am Anfang der Skala. I bedeutet – sehr hohe Konzentration zum Zentrum hin; XII bedeutet – sehr geringe Konzentration zum Zentrum hin.

Ein typischer Kugelhaufen enthält in einem Bereich von 40 pc Durchmesser mehrere hunderttausend Sterne, sodaß die mittlere Sterndichte ungefähr zehnmal größer ist als in offenen Haufen. Nach dem Zentrum des Haufens hin wächst die Sterndichteso stark an, daß der Nachthimmel dort schon recht hell wäre! Die Dichte im Zentrum beträgt etwa 1000 mal mehr als die Dichte der Feldsterne in Sonnenumgebung (Angaben zwischen 10 hoch 3 und 10 hoch 4). Die absolute visuelle Helligkeit eines mittleren Kugelhaufens liegt bei – 7,3 mag; die Gesamtmasse kann man aus der Streuung der Radialgeschwindigkeiten der Sterne abschätzen und erhält so Zahlenwerte von einigen 10 hoch 5 M. (Angaben zwischen einigen zehntausend bis zwei Millionen Sonnenmassen – Mittelwert: 100 000 Sonnenmassen).

Die Kugelhaufen weisen deutliche individuelle Unterschiede auf: Ihre Massen überdecken den Bereich von 10 hoch 3 bis hin zu einigen 10 hoch 6 M. Ihre Durchmesser überdecken den Bereich von 20 bis 150 pc (Angaben von 15 bis 350 Lichtjahren). Ihre absoluten visuellen Helligkeiten liegen zwischen Mv = -1,7 mag und (und für Omega Centauri) – 10,1 mag.

Bei etwa 20% der Haufen finden wir im Zentrum einen enormen Anstieg der Sterndichte, der sich im Laufe der Zeit durch gravitative Wechselwirkungen der Sterne ausbildet. Kugelsternhaufen enthalten weiterhin einen relativ hohen Anteil an Doppelsternen, welche z.T. als Röntgenquellen und als Millisekunden-Pulsare beobachtet werden.

Die Kugelhaufen enthalten nur Sterne, keine nachweisbaren Mengen von Gas. Man darf annehmen, daß alles Gas, das in ihnen anfangs bei der Sternentstehung noch vorhanden war oder das im Laufe der fortgeschrittenen Entwicklung von Sternen wieder abgestoßen wurde, bei jedem Durchpendeln des Haufens durch die Ebene der Milchstraßensystems aus dem Haufen (durch die Gasmassen) „herausgefegt“ worden sind.

Auf die dynamische Entwicklung der Kugelhaufen als Folge der Wechselwirkung ihrer Sterne untereinander sowie mit allen Sternen in ihrer Muttergalaxie können wir hier nicht eingehen.

Im Inneren der KS ergibt sich eine Rotationsbewegung, die in Einzelfällen mittels des Dopplereffektes nachgewiesen werden konnte. Die Rotationsperioden dürften mehrere Millionen Jahre betragen.

Distanzen

Die Kugelhaufen gehören zu den entferntesten Objekten, die in unserem Milchstraßensystem beobachtet werden können. Die Abstände der KS konnten mit Hilfe der Perioden-Helligkeits-Beziehung der RR-Lyrae-Sterne ermittelt werden. Diese Sterne sind typisch für KS. Sie haben alle eine bekannte absolute Helligkeit von M = +0,5 bis -0,2. Zwei Faktoren tragen zur Schwächung der scheinbaren Helligkeit dieser Sterne bei: erstens die Distanz zu uns, zweitens die Menge der interstellaren Materie in der Sichtlinie zu diesen Variablen. Die beobachtete scheinbare Helligkeit dieser Veränderlichen muß zuerst um diese Faktoren korrigiert werden, bevor ihre Distanz bestimmt wird.

Shapley hat zuerst versucht, die Entfernung von KS zu berechnen. Seine Fehler in der Entfernungsberechnung sind darauf zurückzuführen, daß erst Baade entdeckt hat, daß die Cepheiden im KS einer anderen Population zugehörig sind als die Cepheiden im Bereich der Scheibe. Sie unterscheiden sich in nicht unerheblichem Ausmaß in ihrer Helligkeit; diese falsche Annahme führte daher zu den anfänglichen Fehlberechnungen.

Die Sterne des horizontalen Astes haben eine bekannte absolute Helligkeit, die kalibriert wurden mit Hilfe der RR-Lyrae-Sterne. Weil die Horizontalsterne relativ hell sind können sie auch in entfernteren Haufen beobachtet werden und die Distanzen der KS können mit ihrer Hilfe bestimmt werden.

Aus bekannter Distanz kann man die Durchmesser der KS ermitteln.

Lage

Offene Haufen sind stets dicht zur Ebene des Milchstraßensystems konzentriert und sie nehmen an der allgemeinen Rotation des Systems teil.

Die Kugelhaufen dagegen streuen über den weiten Bereich des Halos mit einer vom Zentrum des Milchstraßensystens nach außen gleichmäßig abfallenden Dichte. An der galaktischen Rotation nehmen sie wenig oder gar nicht teil. Ihre Geschwindigkeiten sind unregelmäßig verteilt, sind aber kleiner als die Entweichgeschwindigkeit, so daß die Kugelhaufen bei unserer Galaxis verbleiben und sie umkreisen oder durchpendeln. Je weiter sie vom Zentrum des Milchstraßensystems entfernt sind, umso langgestreckter sind die Bahnen.

Metallhäufigkeit und Zweifarbendiagramm

Die spektrokopischen Analysen zeigen, daß in den Sternen der Halopopulation – im Feld wie auch in den Kugelhaufen – die Häufigkeit aller schwereren Elemente (Kernladungszahl Z > 6) relativ zum Wasserstoff im Vergleich zur Sonne um Faktoren bis etwa > 10 hoch 3 verringert ist, während die Häufigkeitsverhältnisse der schwereren Elemente untereinander – abgesehen von einigen Elementen – im großen und ganzen dieselben sind. Das Helium (Z = 2) ist nicht zusammen mit den Metallen reduziert; sowohl in Population I- als auch in Population II-Sternen finden wir im wesentlichen das ursprüngliche, bei Urknall entstandene Verhältnis von Wasserstoff von rund 1/10 nach Atomzahlen.

Auch hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung gibt es innerhalb der Gruppe der Kugelsternhaufen eine Unterscheidung: Nahe dem galaktischen Zentrum und der galaktischen Scheibe kommt eine metallreichere Gruppe vor, im Halo der Galaxis kommt eine zahlenmäßig stärkere metallärmere Gruppe vor. Diese zwei Gruppen von KS in unserem Milchstraßensystem werden Scheiben-KS und Halo-KS genannt. Man hat herausgefunden, daß diese auch bezüglich ihrer Kinetik Unterschiede aufweisen.

Da detaillierte spektroskopische Analysen aus praktischen Gründen nur für verhältnismäßig wenige, meist hellere Objekte durchgeführt werden können, ist es wichtig, daß man die Metallhäufigkeiten der Sterne wenigstens global auch mit Hilfe des Zweifarbendiagramms bestimmen kann. In den kühleren metallarmen Halosternen sind nämlich im Vergleich zu normalen metallreichen im optischen Spektrum die nach kürzeren Wellenlängen hin immer dichter gedrängten Metall-Linien so viel schwächer, daß der Farbindex (U-B) ziemlich erheblich, der Index (B-V) dagegen verhältnis wenig nach kleineren Werten verschoben wird.

Farben-Helligkeits-Diagramme und Alter der Kugelhaufen

Die Struktur der Farben-Helligkeits-Diagramme der Kugelhaufen blieb unklar, bis 1952 unter Anleitung von W. Baade an den Mt. Wilson und Palomar Observatorien eine Gruppe von Astronomen sich daranmachte, deren Hauptsequenz – bei den günstigen Objekten etwa im Bereich 19 bis 21 mag – festzulegen. Erst dadurch wurde ein Vergleich mit den Sternen unserer Umgebung und mit den offenen Sternhaufen möglich. Im Herzsprung-Russel-Diagramm der Kugelhaufen ist die Hauptreihe nur noch bis zur absoluten Helligkeit M = +3,5 mit Sternen besetzt – Spektrum auf der Hauptreihe nur bis F5. Alle helleren Sterne, d.h. Sterne mit mehr als 1,3 Sonnenmassen, haben die Hauptreihe bereits infolge ihrer Entwicklung verlassen.

Beobachtete Diagramme

Diagramme reduziert auf absolute Helligkeit Mv.o und wahre Farbindizes (B-V)o.

An die Hauptsequenz von den schwächsten (seinerzeit) erreichbaren Sternen bis zum „Knie“ schließen sich nach oben hin zunächst die Unterriesen und dann der Rote-Riesen-Ast an. Die Riesensterne der Kugelhaufen haben alle etwa 1,3 Sonnenmassen oder nur wenig mehr. Von ihm getrennt, bei etwas kleineren (B-V) bzw. Effektivtemperaturen, verläuft der asymptotische Riesenast, an welchen sich der Horizontalast bis zu den B-Sternen der absoluten Helligkeit Mv = +2 mag anschließt. In den Horizontalast eingebettet ist die wohldefinierte „Lücke“ der pulsierenden Haufenveränderlichen oder RR-Lyrae-Sterne.

Durch die Entwicklung empfindlicher Festkörperdetektoren (CCD) und den Einsatz des Hubble-Weltraumteleskops konnten in neuerer Zeit nicht nur die Zentren der Kugelsternhaufen in Einzelsterne aufgelöst, sondern auch deren Hauptreihen im Farben-Helligkeits-Diagramm zu erheblich geringeren Helligkeiten hinab gemessen werden.

Der Verlauf der Hauptreihe und der Unterriesen- und Riesensequenz ist zwar in allen Kugelhaufen ähnlich, sie unterscheiden sich jedoch merklich entsprechend ihrer Metallhäufigkeit in der Lage im Farben-Helligkeits-Diagramm. Auffallende Unterschiede – ebenfalls bedingt durch unterschiedliche Metallhäufigkeit – bestehen demgegenüber in der Besetzung des Horizontalastes bei den verschiedenen Kugelhaufen. So fehlt in metallarmen Haufen der rote Teil des Horizontalastes rechts vom Bereich der Veränderlichen.

Theoretische Deutung

Deutung der Farben-Helligkeits-Diagramme der Kugelhaufen, die den Ausgangspunkt für die neuere Theorie der Sternentwicklung bildeten.

Die Anfangs-Hauptsequenz der metallarmen Halosterne, welche auch als Unterzwerge (subdwarfs: sd) bezeichnet werden, liegt – bei gleicher Heliumhäufigkeit – unterhalb derjenigen der Population I. Es ergibt sich insgesamt eine metallarme Hauptreihe, die unterhalb der normalen Hauptreihe, ungefähr parallel zu dieser liegt. Die Massenskalen längs der Sequenzen sind hierbei gegeneinander verschoben.

Von der Theorie des Sternaufbaus her können wir somit die unterschiedlichen Hauptsequenzen in den Farben-Helligkeits-Diagrammen der Kugelhaufen (und auch der offenen Haufen) mit ihren verschiedenen Metallhäufigkeiten verstehen.

Im Bereich des „Knies“ gleichen die Farben-Helligkeits-Diagramme der Kugelhaufen weitgehend denen alter offener Sternhaufen mit dem Unterschied, daß ihr Riesenast steiler verläuft. Dies ist nach Entwicklungsrechnungen als Folge der geringeren Metallhäufigkeiten der Kugelhaufen. Durch die geringere Metallhäufigkeit werden die Opazität und die Energieerzeugung erheblich verändert.

Es wird das Ende des Entwicklungsweges an der Spitze des ersten Riesenastes dem plötzlichen Zünden des zentralen Heliumbrennens (Helium-Flash) zugeschrieben. Nach dem Helium-Flash – und nach erheblichem Massenverlust im Roten Riesenstadium – bevölkern die metallarmen Sterne der Population II den Horizontalast. Sie erzeugen ihre Energie durch zentrales Heliumbrennen und schalenförmiges Wasserstoffbrennen, wobei ihre Massen am blauen Ende des Horizontalastes rund 0,5 M, am roten Ende rund 0,9 M. Von dem Horizontalast wandern die Sterne schließlich den asymptomatischen Riesenast aufwärts, wo ihre Energie durch Helium- und Wasserstoffbrennen in getrennten schalenförmigen Brennzonen erzeugt wird.

Alter

Die Untersuchung zahlreicher Farben-Helligkeits-Diagramme führte zu dem grundlegenden Ergebnis, daß die meisten Kugelsternhaufen ungefähr dasselbe Alter haben, das nach neueren Bestimmungen bei etwa 12 bis 15 mal 10 hoch 9 Jahren liegt.

Aus dem Abbiegen der Farben-Helligkeits-Diagramme können wir mit Hilfe von Modellrechnungen das Alter von Kugelsternhaufen bestimmen, wobei die Absolutwerte um mehrere 10 hoch 9 Jahre unsicher sind, die relativen Alter hingegen auf 1 bis 2 hoch 9 Jahre genau sein dürften. Es zeigt sich, daß die Mehrheit der Kugelhaufen hiernach ein Alter von etwa 15 +- 3 mal 10 hoch 9 Jahre hat und damit zu den ältesten Objekten in unserer Milchstraße zählen. Es gibt mehrere Kugelhaufen, die deutlich (um etwa 3 bis 4 mal 10 hoch 9 Jahre) jünger sind als die Mehrheit.

Aufgrund der mit dem Astrometriesatelliten HIPPARCHOS gemessenen Parallaxen zeigte sich gegen Ende der 1990er Jahre, daß die Entfernungen der Kugelhaufen systematisch etwas größer als bisher angenommen sind. Dies führt bei den ältesten Haufen zu geringeren Altern von nur etwa 12 +- 2 mal 10 hoch 9 Jahren.

Lebensdauer

Alle Sternhaufen haben aus dynamischen Gründen eine begrenzte Lebensdauer. Die offenen Haufen zerstreuen sich nach bereits 100 Millionen bis spätestens 3 Milliarden Jahren. Je mehr Sterne ein Haufen enthält, desto stabiler ist er. Die Kugelhaufen übertreffen daher das Alter für die offenen Haufen noch bei weitem und bestehen über 10 Milliarden Jahre.

„Blue Stragglers“

Wie in den offenen Sternhaufen, so finden wir auch in den Kugelhaufen – vorallem in ihren Zentren mit relativ hohen Sterndichten – „zu junge“ blaue Sterne auf der Hauptreihe oberhalb des Abknickpunktes. Solche „Nachzügler“, von denen durch die hohe Winkelauflösung des Hubble-Weltraumteleskops schon viele entdeckt wurden, könnten in Doppelsternsystemen oder durch Verschmelzen zweier Sterne bei einem Zusammenstoß entstanden sein.

Kugelsternhaufen in anderen Galaxien

Kugelsternhaufen kommen in Galaxien aller Typen und Größen vor. Außer den Haufen, wie wir sie aus unserer Milchstraße kennen, finden wir in anderen Galaxien auch Kugelsternhaufen, welche kein Gegenstück in der Milchstraße haben.

Seit langem ist es bekannt, daß es in unseren Nachbargalaxien irregulären Typs, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, Sternhaufen gibt, deren Massen und kompakte Strukturen denjenigen der Kugelhaufen unserer Milchstraße zwar sehr ähnlich sind, deren Licht jedoch durch junge, blaue (metallarme) Sterne dominiert wird und nicht – wie in der Milchstraße – durch Rote Riesensterne. Der hellste Sternhaufen in der Großen Magellanschen Wolke ist der Blaue Kugelhaufen NGC 1866 mit etwa 10 hoch 5 M und einem Alter von nur etwa 10 hoch 8 Jahren. Daneben gibt es in diesen Galaxien auch – allerdings nur sehr wenige – alte Kugelhaufen ähnlich denen in der Milchstraße.

Zahlreiche Blaue Kugelhaufen sind in den letzten Jahren mit dem Hubble-Weltraumteleskop auch in Elliptischen Galaxien und in miteinander wechselwirkenden Galaxien beobachtet worden. So ist z.B. die Elliptische Riesengalaxie M87 von einem System von ungefähr 100 000 – wegen ihrer Entfernung nicht in Einzelsterne aufgelösten – hellen Blauen Kugelhaufen umgeben.

Wir dürfen demnach die Beobachtung aus unserem Milchstraßensystem, daß alle Kugelhaufen zu den ältesten Objekten gehören, nicht verallgemeinern und müssen vielmehr fragen, welche Bedingungen in der Milchstraße dazu führten, daß in ihr keine jüngeren Kugelhaufen entstanden sind.

Kugelhaufen werden inzwischen zur Entfernungsbestimmung von Galaxien benützt.

Einige wenige KS dürften auch im intergalaktischen Feld vorhanden sein, also keiner Galaxis zugehören.

Kurzer Exkurs über Veränderliche in Kugelsternhaufen

Die häufigsten Veränderlichen die in Kugelsternhaufen gefunden werden sind die RR-Lyrae-Sterne, weshalb sie auch die Bezeichnung Haufenveränderliche (cluster type variables) erhalten haben. Es ist jedoch die Besetzung der Kugelhaufen mit diesen Veränderlichen abhängig von mehreren Parametern und spiegelt auf eine noch nicht vollständig geklärte Weise den Entwicklungszustand der Haufen wider – analog zu den Verhältnissen bei Offenen Sternhaufen. Veränderliche Sterne anderer Typen findet man in wesentlich geringerer Anzahl.

In den meisten Kugelhaufen sind Veränderliche bestimmt nicht häufig.

Folgende Typen von Veränderlichen sind in Kugelhaufen vorhanden:

  • RR-Lyrae (RR)
  • W-Virginis (CW)
  • RV-Tauri
  • Gelbe und Rote Halbregelmäßige (SR)
  • Mira
  • Langsam unregelmäßige Rote Riesen (L)
  • U-Geminorum und Novae (UG, N)
  • Bedeckungssterne (E)
  • Röntgendoppelsterne

Die Veränderlichen in Kugelhaufen sind, von einigen zufälligen Ausnahmen abgesehen, nicht besonders benannt und daher auch nicht im Generalkatalog enthalten.

Für die photographische Beobachtung der Veränderlichen in Kugelhaufen ist ein großes Instrument mit hinreichender langer Brennweite erforderlich, besonders wenn Wert darauf gelegt wird, auch die Sterne nahe dem Zentrum des Haufens zu erfassen. Andererseits bieten die Kugelhaufen den Vorteil, daß mit einer Aufnahme eine große Anzahl von Variablen erfaßt wird. Dieser Umstand begünstigt unter anderem statistische Untersuchungen über die Veränderlichkeit der Perioden der RR-Lyrae-Sterne.