Rakete

Wie man den Weltraum erreicht

Tassilo Halbritter

Am 20. Juli 1969 um 21 Uhr 17 MEZ setzte die Landefähre Eagle des Raumschiffes Apollo 11 auf der Mondoberfläche auf. Damit waren zum ersten Mal Menschen auf einem anderen Himmelskörper gelandet …

Um mit vom Menschen gebauten Fahrzeugen in den Weltraum zu gelangen, der definitionsgemäß schon bei 100 Kilometer Höhe beginnt, kommen derzeit nur Raketenantriebe in Betracht. Die Gründe dafür lege ich im Folgenden, leider auch mit der nötigen Mathematik durchsetzt, dar.

Die fantasiereiche Vorstellung von Jules Verne (im Roman „Von der Erde zum Mond“, 1865) mit einer Riesenkanone Objekte zum Mond zu schießen, ist aus mehreren Gründen nicht realistisch. Das von Verne beschriebene Szenario ist vor allem deswegen unmöglich, weil die Detonationsgeschwindigkeit der verwendeten Schießbaumwolle und damit die Geschwindigkeit des Geschosses weit niedriger als die Fluchtgeschwindigkeit (s.u.) ist. Das Projektil könnte die Erdanziehungskraft nicht überwinden und würde wieder auf die Erde zurückfallen. Auch mit einem besseren – hypothetischen – Sprengstoff wäre es nicht möglich, eine größere Masse bis zum Mond zu befördern, denn das Kanonenrohr müsste über 300 Kilometer lang sein, abgesehen von der Startbeschleunigung der Raumkapsel von über 20 g, was wohl kein Raumfahrer überleben würde.

Daher bleibt nur der Raketenantrieb, wobei sich sogleich das Problem ergibt, dass die Rakete ja ihren Treibstoff mitbefördern muss, der wiederum das Gewicht der Rakete erhöht und das erfordert wieder mehr Treibstoff …

Der russische Amateurwissenschaftler K. E. Ziolkowski (1857 – 1935) begann, angeregt durch die Erzählungen von Jules Vernes, selbst Geschichten über interplanetare Raumfahrt zu schreiben. Darin ließ er mehr und mehr physikalische und technische Probleme einfließen und entwickelte sich dabei zum Verfasser theoretischer Abhandlungen. Ab etwa 1885 stellte er eine Vielzahl von Überlegungen zur Realisierung von Raumflügen an, um schließlich die Formeln für die Raketengleichung 1903 aufzustellen.

Das Grundprinzip des Raketenantriebs besteht darin, eine begrenzte Menge an Treibstoff mit einer bestimmten Austrittsgeschwindigkeit auszustoßen und gemäß dem 3. Newtonschen Gesetz (Actio = Reactio) den Impuls und damit die Geschwindigkeit der Rakete mit ihrer Nutzlast in die entgegengesetzte Richtung zu erhöhen. Wenn eine einstufige Rakete mit Anfangsmasse m0 und Anfangsgeschwindigkeit null betrachtet wird, deren Triebwerk die Stützmasse kontinuierlich und mit der konstanten Geschwindigkeit vg ausstößt, dann gilt (unter idealisierten Bedingungen) die Raketengrundgleichung für die Geschwindigkeit v der Rakete in Abhängigkeit von der Restmasse m (also der um den verbrauchten Treibstoff verkleinerten Anfangsmasse):

v (m) = vg ⋅ ln ⋅ (m0 / m)

Den Bruch m0 / m nennt man Masseverhältnis. Der Schub des Raketenmotors ergibt sich aus dem Produkt von Strahlgeschwindigkeit multipliziert mit dem Differenzial dm/dt, das wir als Treibstoffaufwand pro Sekunde annehmen können: F = vg ⋅ dm/dt

Für vertikale Raketenstarts, geringe Steighöhen und unter Vernachlässigung des Luftwiderstands gilt

vEnd = vg ⋅ ln ⋅ m0 / mEnd − g Δ t

mit der Fallbeschleunigung g und der Brenndauer Δ t.

Aus diesen Formeln kann man in einer von Mathematikern als „ganz einfach“ bezeichneten Weise ableiten, dass die Höchstgeschwindigkeit der Rakete dann ihrer Strahlgeschwindigkeit entspricht, wenn ihr Masseverhältnis e = 2,72 ist! Das heißt, wenn das Startgewicht der Rakete etwa 2,7 mal so groß ist wie das Gewicht der leeren (ausgebrannten) Rakete, natürlich inklusive Motor und Nutzlast. Das alles zeigt, dass wir einen Treibstoff mit maximaler Strahlgeschwindigkeit benötigen.

Beispiele für häufig verwendete flüssige Brennstoffe sind Alkohol, Benzin, Kerosin, Hydrazin. Als Oxidator kommt meist Sauerstoff in verflüssigter Form zum Einsatz. Damit erreicht man Strahlgeschwindigkeiten von etwa 3000 Metern pro Sekunde. Bei Verbrennung von verflüssigt mitgeführtem Wasserstoff mit ebensolchem Sauerstoff sind Austrittsgeschwindigkeiten von 3800 Metern pro Sekunde erreichbar.

Alle diese Ausführungen dienen der Veranschaulichung, dass hohe Leistung von hoher Geschwindigkeit abhängt und diese wiederum von Masseverhältnis und Strahlgeschwindigkeit bestimmt wird. Und wie hoch ist nun die erforderliche Geschwindigkeit (Fluchtgeschwindigkeit), um das Schwerefeld der Erde zu verlassen? Die benötigten 11,2 Kilometer pro Sekunde entsprechen etwa 4000 Meter/Sekunde. In der Praxis ist auch der Luftwiderstand auf den ersten 10 Höhen-Kilometern zu berücksichtigen, somit erreicht man mit keinem heute verfügbaren Treibstoff (ausgenommen hochgiftige Exoten mit Fluor) die nötige Geschwindigkeit zum Verlassen der Erde. Findige Forscher erfanden daraufhin die Stufenrakete: Nach dem Ausbrennen der ersten Stufe wird diese abgeworfen und die Restmasse um das Gewicht der Tanks, Pumpen und Motoren dieser Stufe verringert. Ebenso verfährt man mit einer zweiten Antriebsstufe und erst die dritte Stufe erreicht dann die erforderliche Geschwindigkeit. Meist kommen bei der ersten Stufe noch zusätzliche Feststoffraketen (Booster) zum Einsatz, die mithelfen, das hunderte Tonnen schwere Gefährt in Fahrt zu bringen.

Die gute Nachricht: Zum Erreichen einer Orbitalbahn in niedriger Höhe (einige hundert Kilometer) genügt schon eine Brennschlussgeschwindigkeit von etwa 8 Kilometern pro Sekunde (entspricht 28500 km/h). Bei einem Raketenstart spielt auch die lokale Rotationsgeschwindigkeit der Erde eine Rolle, da sie die durch die Rakete aufzubringende Geschwindigkeit reduzieren kann. Maximal ist dieser Effekt bei einem Start am Äquator in Richtung Osten, dabei liefert die Erdrotation einen Beitrag von etwa 0,46 km/s. Die Fluchtgeschwindigkeit ist um den Faktor √2 größer als die Orbitalgeschwindigkeit (7,91⋅ 1,414 = 11,2). Vereinfacht hängt die Fluchtgeschwindigkeit bei einem als kugelsymmetrisch angenommenen Himmelskörper lediglich von dessen Masse und Radius ab. Auch muss für Flugbahnen zum Mond die Fluchtgeschwindigkeit nicht ganz erreicht werden, denn das Schwerefeld der Erde soll ja nicht vollständig verlassen werden.

Abschließende Betrachtung

Um eine Rakete mit einer Tonne Nutzlast auf ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit (60 000 km/s) zu beschleunigen, müsste man 1026057 Tonnen Treibstoff aufwenden, das ist leider mehr als die Gesamtmasse im überblickbaren Universum von etwa 1051 Tonnen! Jetzt einmal abgesehen von der Zunahme der Masse bei relativistischen Geschwindigkeiten (Einstein!).

Alternative Antriebstechniken, wenn man bereits im Weltraum ist, beschreibt ein Artikel im „Spektrum der Wissenschaft“, 12/2019, Seite 74: Schuss ins Blaue.

Literatur

Wilfried Ley, Klaus Wittmann, Willi Hallmann: Handbuch der Raumfahrttechnik, 5. Auflage, 2019 (179 €)