Teilchen, Strings und Branen

Am Beginn der Naturwissenschaft spekulierte man darüber ‘was die Welt im Innersten zusammenhält’, seit Jahrzehnten kennen wir Atome, Elementarteilchen und die vier Grundkräfte. Trotz aller Bemühungen ist die Vereinigung von Quantentheorie und ART (Einstein) bisher nicht ganz gelungen, somit haben neue Theorien noch vielfältige Möglichkeiten – und die werden auch genutzt: U.a. gibt es fünf unterschiedliche mathematische Modelle für Strings!

Teilchen und Felder – das Standardmodell

Vor etwas mehr als hundert Jahren war es Allgemeinwissen geworden, dass die Welt aus Atomen aufgebaut ist. Allerdings blieben diese ‘unteilbaren’ Teilchen nicht lange ganz. Durch die Beschäftigung mit der Radioaktivität fand man bald den Atomaufbau heraus: Neben den Hüllenelektronen gibt es die Protonen und Neutronen (= Nukleonen) im Kern des Atoms. Doch auch diese Kernbestandteile waren nicht das Ende der Erkenntnis. In den vergangenen sechs Jahrzehnten haben uns die Wissenschaftler gezeigt, dass die ganze Welt (wir und alle anderen Lebewesen, sowie die unbelebte Welt bis zu den fernsten Galaxien) praktisch aus nur sechs Teilchenarten aufgebaut ist: Drei Materieteilchen (Up-Quark, Down-Quark, Elektron), zwei Kraftquanten (Photon, Gluon) und dem erst zuletzt nachgewiesenen Higgs-Boson!

Dazu gibt es vier weitere Quarktypen (Charm, Strange, Top und Bottom) und die Leptonen: zwei dem Elektron ähnelnde Teilchen (Myon und Tauon) sowie drei Neutrinos (Elektron-, Myon- und Tau-Neutrino) und die beiden geladenen W-Bosonen samt dem ungeladenen Z-Boson. Diese sind aber alle sehr kurzlebig und treten mit den sechs Standardteilchen kaum in Wechselwirkung.

Alle Teilchen lassen sich in drei Familien anordnen, wobei in jeder einzelnen Familie genau diesselben Wechselwirkungsbeziehungen wie in den anderen Familien gelten. Der einzige bemerkenswerte Unterschied zwischen den Familien ist, dass die Teilchen immer schwerer werden, z.B. beträgt die Tauon-Masse ca. 3400 Elektronenmassen.

Damit ergeben sich folgende Fragen: Warum gibt es drei Teilchenfamilien, wenn zum Aufbau der Alltagswelt bereits eine reicht? Weshalb sind ihre Massen in jeder Familie so unterschiedlich? Warum gerade diese Werte? Zu jedem Teilchen gibt es noch sein Antiteilchen mit entgegengesetzten inneren Quantenzahlen (meist entgegengesetzter Ladung), jedoch gleichem Spin und gleicher Masse. Wenn bei einem Teilchen die inneren Quantenzahlen verschwinden, dann ist es sein eigenes Antiteilchen!
Jedenfalls ist das Standardmodell der Elementarteilchen eine quantenmechanische Theorie, die aus der Quanten-Chromodynamik (QCD) und der elektroschwachen Theorie (diese besteht wieder aus QED und QFD) zusammengesetzt ist. Dieses Standardmodell beruht auf dem Konzept von Punktteilchen und beschreibt alle Materie und Kräfte, ausgenommen die Gravitation. Die QCD ist die quantenmechanische Theorie der starken Kernkraft. Neben dieser gibt es noch die schwache Kraft, die z.B. den Beta-Zerfall verursacht und dann den Elektromagnetismus, der uns in Form von Licht- oder Radiowellen vertraut ist. Die Feldquanten der starken Kernkraft sind die Gluonen, sie kommen in acht verschiedenen ‘Farben’ vor (deshalb Chromodynamik), die der schwachen Kraft sind das Wminus- und das Wplus- sowie das ungeladene Z-Boson. Die Photonen, die ‘Lichtpakete’ des elektromagnetischen Feldes, sind die einzigen Bosonen, die wir unmittelbar (z.B. als Licht- oder Wärmestrahlung) wahrnehmen können. Die Gravitonen sind die Botenteilchen des Gravitationsfeldes. Die Gluonen, die Kraftteilchen der starken Kernkraft, wechselwirken mit den Quarks aber auch untereinander. Wir können sie nicht direkt beobachten, weil diese Selbstwechselwirkung das Confinement (den Einschluß der Gluonen und Quarks) in die ‘farblosen’ Hadronen (Mesonen und Baryonen) verursacht. Baryonen (zB Proton und Neutron) bestehen aus genau drei Quarks bzw. Antiquarks, Mesonen (zB Pionen und Kaonen) aus einem Quark und einem Antiquark. Grundsätzlich entsteht durch die ‘Bewegung’ der eingesperrten Quarks der Großteil der Masse der Hadronen.

Unter den Physikern gilt eine große vereinheitlichende Theorie als der heilige Gral der Naturforschung. Sie soll alle Kräfte und alle Materie in einem einzigen theoretischen Gebäude beschreiben. Die vor über 90 Jahren entwickelte Quantenmechanik beschreibt das Verhalten von Teilchen und Kräften im atomaren und subatomaren Bereich, einschließlich der dort auftretenden Quanteneffekte. Die gesamte Physik gehorcht den Quantengesetzen – nur die Schwerkraft nicht. Die beste Beschreibung der Gravitation ist Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie (ART), eine rein klassische, d.h. nicht quantenphysikalische Theorie. Die ART ist eine großartige Theorie und viele ihrer Vorhersagen wurden genau bestätigt. In den meisten Fällen ergeben die unterschiedlichen Aussagen von Quantenmechanik und ART keine Probleme, da entweder die Quanten- oder die Schwerkrafteffekte so wenig ausmachen, dass sie vernachlässigt werden können. Erst bei extremen Bedingungen spielen sowohl Quanteneigenschaften wie Gravitation eine Rolle: Beim Urknall und in den Schwarzen Löchern.

Anschließend noch ein kurzer Streifzug durch die neuen Theorien. Auf weitere interessante Ansätze wie Kaluza-Klein-Moden, Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit, Horava-Witten-Theorie, Matrixtheorie, T-Dualität und Casimir-Kraft kann ich aus Platzgründen nicht eingehen und verweise interessierte Mitglieder auf die weiterführende Literatur.

Higgs und Masse

Der heutigen Theorie nach erhalten Leptonen ihre Masse durch Wechselwirkung mit einem allgegenwärtigen Quantenfeld, dem sogenannten Higgs-Feld. Durch aufwendige Experimente in den neuesten Ausbaustufen der Teilchenbeschleuniger (bei CERN, Genf) konnte man die Higgs-Bosonen inzwischen nachweisen, zumindest deren leichteste Sorte.

Was unterscheidet die Higgs-Bosonen von den bisher bekannten Feldquanten?

Zunächst der Spin: Elektronen haben halbzahligen Spin, das Photon Spin 1; die Gravitonen, die Trägerteilchen der Schwerkraft, haben Spin 2, und das Higgs-Boson hat Spin 0. Als zweite Besonderheit ist zu erwähnen, dass das Universum in seinem Grundzustand von einem Higgs-Feld erfüllt ist, das nirgends verschwindet. Die dritte Eigenart des Higgs-Feldes ist seine Wechselwirkung mit anderen Teilchen: Es verleiht ihnen Masse. Bei den Quarks ist das nur ein kleiner Beitrag aber das Elektron hätte ohne Higgs-Feld keine Masse.

Supersymmetrie (SUSY)

Was macht man als Physiker, wenn die bisherigen Theorien über Elementarteilchen die Natur sichtlich nicht vollständig beschreiben? Man erfindet eine neue Theorie mit neuen Super-Teilchen und schon sind (fast) alle Probleme gelöst.

Unter Symmetrie im herkömmlichen physikalischen Sinn versteht man, dass die Transformation (Drehung, Spiegelung, Zeitumkehr) eines physikalischen Systems ohne Auswirkung auf die Gesetze ist, die das System beschreiben. Die Translationssymmetrie wiederum sorgt dafür, dass die bekannten Naturgesetze an jedem Ort im Raum anwendbar sind. Die unbewiesene SUSY-Theorie legt fest, dass die Gesetze der Mikrowelt unverändert bleiben, wenn Teilchen mit ganzzahligem Spin (Kraftteilchen oder Bosonen) gegen Teilchen mit halbzahligem Spin (Materieteilchen oder Fermionen) ausgetauscht werden. Zu jedem der im Standardmodell vorkommenden Teilchen, die ja inzwischen alle nachgewiesen worden sind, muß es ein fermionisches Partnerteilchen geben (zu jedem Boson gibt es das entsprechende -ino, also Photinos, Gluinos und Winos) und zu jedem Lepton (Elektronen und Neutrinos) und Quark ein bosonisches Slepton und Squark. Dadurch wird der Teilchenzoo schlichtweg verdoppelt! Erwähnenswert ist, dass die SUSY-Partner eventuell das Problem der dunklen Materie erklären helfen könnten.

Strings

Ein neuerer Ansatz zur Überwindung der Pattstellung der theoretischen Physik ist die seit den Siebzigerjahren entwickelte Stringtheorie, die auf eindimensionalen schwingenden Energiefäden beruht. Die nicht direkt beobachtbaren Quarks sollen keine punktförmigen Teilchen sein, sondern in ihnen sollen Strings mit merklicher Ausdehnung eingesperrt sein. Nackte Strings hat aber auch noch niemand beobachtet. In einer Weiterentwicklung unter Einbeziehung der Supersymmetrien wurde die Superstringtheorie entwickelt. Die fundamentalen Bestandteile dieser Theorie sind eindimensionale Schleifen (geschlossene Strings) oder Fadenstücke (offene Strings) aus schwingender Energie. Diese Theorie soll Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik unter Einschluss der Supersymmetrie vereinheitlichen. Die findigen Forscher entwickelten fünf verschiedene Versionen der Stringtheorie, die sie nun unter der Bezeichnung M-Theorie zu einer (dzt. noch unvollständigen) Theorie zusammenfassen wollen: Eine gänzlich quantenmechanische Theorie aller Kräfte und aller Materie. Damit die Stringtheorie funktioniert, muss man sieben weitere Raumdimensionen einführen, die unbeobachtbar sind (‘eingerollt’), somit leben wir in einem elfdimensionalen Raumzeitgebilde!

Branen

Branen heißen Objekte (weil sie Membranen ähneln) in einem höherdimensionalen Raum, die Energie tragen und Teilchen und Kräfte einschließen können. In einer Branenwelt sind alle Materie und Kräfte auf Branen beschränkt. Die offenen Strings der Stringtheorie kleben mit einem Ende auf der D-Bran (Dirichlet-p-Bran). Den Urknall erklärt die Bran-Theorie als Urklatsch: Zwei Drei-Branen (dreidimensionale Branen) sind durch eine kurze Strecke getrennt (= die vierte Raumdimension, die übrigen sechs Raumdimensionen sind zu einem Calabi-Yau-Raum aufgewickelt) und ziehen sich gegenseitig an. Bei der Kollision (dem Urklatsch) entsteht ein Rückprall in dessen Verlauf die dreidimensionalen Welten expandieren.

Autor: Tassilo Halbritter

Quellen

  • Henning Genz, Elementarteilchen, Fischer TB, 2003 (eine kurze Einführung)
  • Brian Greene, Das elegante Universum, Goldmann TB, 2006
  • Brian Greene, Der Stoff, aus dem der Kosmos ist, Pantheon, 2006
  • Lisa Randall, Verborgene Universen, Fischer, 2006 (L. R. ist eine bekannte Stringtheoretikerin; ihr Buch ist etwas zäher zu lesen als die beiden von Greene, was vielleicht auch am Übersetzer liegen mag)